Wir brauchen eine neue Staatsform. Eine, die in der Lage ist, den Kapitalismus zu kontrollieren, unseren Planeten als lebenswerte Umwelt zu erhalten und eine gerechtere Verteilung der "Reichtümer" zu gewährleisten. Aber eine gerechte Herrschaft des Volkes, in der nicht eine kleine Gruppe Regierender am Ende doch die meiste Macht innehat, hat es bisher nicht gegeben. Zumindest nicht dauerhaft.
Klar ist also einerseits, dass die repräsentative Demokratie, so wie sie bei uns zurzeit gelebt wird, das Vertrauen ihres Volkes verliert. Klar ist aber auch, dass an der Demokratie kein Weg vorbei führt. "Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind", hat Winston Churchill, gesagt und vor allem angesichts der immer stärkeren, rechten Tendenzen, die sich in den europäischen Nationalstaaten bemerkbar machen, ist es entscheidend, die Demokratie zu demokratisieren. Die Herrschaft muss wieder dauerhaft dem Volk gehören, und nicht nur einmal alle x Jahre, am Wahlsonntag. Vielleicht kommt ja dann auch das Vertrauen in die Demokratie zurück.
Eine Möglichkeit, Politik und Menschen einander näher zu bringen ist die direkte Demokratie. Die Gemeinschaft wählt hierbei keine Vertreter, sondern entscheidet selbst, wie im antiken Athen. Lange Zeit fiel die direkte Demokratie in die Kategorie "nett gemeint", denn so ziemlich alles, was größer als ein antiker Stadtstaat ist, würde als direkte Demokratie im administrativen Chaos versinken. Spätestens aber seitdem man online einfache, schnelle und sichere Wahlvorgänge möglich machen kann, sollte man die direkte Demokratie vielleicht noch einmal aus ihrer Schublade denken. Voraussetzung dafür ist allerdings zuerst mal der politische Wille, die Meinung des Volkes überhaupt in den Jahren zwischen den Wahlsonntagen hören zu wollen.
Vor allem nach der unglaublich hohen Wahlbeteiligung beim schottischen Referendum (das noch nicht mal online statt fand) sollte man sich vom ewigen Geschrei um Politikverdrossenheit nicht so abschrecken lassen. Vielerorts richtet sich der Verdruss ja gar nicht an die Politik als Steuerung des Staates, sondern an die Politiker, die im Laufe ihrer Karriere ihre Ideale vergraben haben und lieber hinter Posten und Macht herlaufen.
Die zunehmende Differenzierung politischer Standpunkte in der Bevölkerung tut ein übriges: die klassischen Grenzen zwischen "links" und "rechts"verschwimmen. Das aber nicht, weil auf einmal alle dasselbe denken, sondern weil es mittlerweile kein Problem mehr ist - zum Beispiel - als liberaler für den Atomausstieg zu sein.
Beim Versuch, alle ihre Anhänger bei Laune zu halten, vermanschen die Parteifarben schnell zu wenig appetitlichem graubraun. Beste Voraussetzungen also, die repräsentative Demokratie etwas aufzulockern und dem eigenen Volk mehr Mitspracherecht einzuräumen. Die so oft beschimpften "Online-Aktivisten" haben es vorgemacht: sich für oder gegen eine Sache aussprechen geht auch von zuhause aus. Und in der Schweiz wurden so bereits Abstimmungen durchgeführt, ganz ohne Zirkus. Menschen ohne Zugang zum Internet zuhause könnten zum Beispiel im Gemeindehaus wählen, oder die Gelegenheit nutzen um mal wieder Verwandte, Freunde oder Nachbarn zu besuchen und sich von ihnen in die Tiefen des World Wide Web einweihen zu lassen.
Natürlich kann man nicht alle Entscheide per Direktwahl treffen lassen. Ein Referendum über die EU-Verordnung Nr. 1677/88/EWG (AdR. das ist die berühmte Gurken-Verordnung) beispielsweise, würde uns zwangsweise alle zu Vollzeit-Politikern machen. Aber gerade weil es für viele immer schwerer wird, sich mit einer klassischen Parteilinie zu identifizieren, sollte man grundsätzliches demnächst öfters dem Volk überlassen.
Vielleicht schafft es das Volk am Ende dann auch nicht, den Kapitalismus zu kontrollieren und den Planeten zu erhalten, aber wenigstens hatte es überhaupt die Chance, diese Welt gerechter zu machen. Die Chance, sich mehr zu beteiligen und zu einem wirklichen Souverän zu werden.
Das meinte übrigens auch Winston Churchill. Der Satz, der auf das weltberühmte Zitat folgt lautet nämlich: "Niemand behauptet, dass die Demokratie perfekt wäre, oder weise; aber es ist in unserem Land allgemein anerkannt, dass das Volk herrschen sollte, und zwar dauerhaft! Dass die Öffentliche Meinung, in all ihren verfassungskonformen Ausdrucksweisen, die Handlungen von Ministern gestalten, lenken und kontrollieren sollte. Und dass die Minister die Diener des Volkes sind, und nicht dessen Herrscher."
Hochinteressant:
Plan B - Revolution des Systems für eine tatsächliche Neuordnung
von Andreas Popp und Rico Albrecht
siehe
http://www.wissensmanufaktur.net/plan-b