"Ich sehe die Bilder zum ersten Mal. Da ist ein Fischmarkt ja nichts gegen", sagt Bart De Wever. Dieser "Fischmarkt", damit ist die Kammer gemeint, wo sich Mehrheit und Opposition in der vergangenen Woche eine knallharte Auseinandersetzung nach der anderen geliefert hatten.
Im Auge des Zyklons waren da vor allem zwei Parteikollegen von Bart De Wever. Erst der neue Innenminister Jan Jambon, der in einem Interview erklärt hatte, dass die Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg "ihre Gründe" gehabt hätten. Und dann Theo Francken, von dem E-Mails und Facebook-Einträge aufgetaucht waren, in denen er sich rassistisch bzw. homophob geäußert hatte.
Er könne da keine rassistischen Inhalte erkennen, sagte De Wever in der VRT-Fernsehdiskussion "De zevende Dag". Davon abgesehen seien die Aussagen schon ein paar Jahre alt. Und wenn man die Facebookeinträge oder privaten Mails der sechs Millionen Flamen veröffentlichen würde, wo kämen wir denn da hin?
"Aber die sind eben nicht Asylstaatssekretär", erwidert der Journalist. "Also, was für ein Humbug", sagt De Wever, "totaler Quatsch". Diese ganze Geschichte sei von vorne bis hinten von der Opposition inszeniert worden. Vor allem durch die PS, die einfach nicht verwinden könne, dass sie nach 25 Jahren in der Opposition gelandet ist, sagt De Wever. "Und wissen Sie, wenn wir jedes Mal, wenn die Opposition kreischt, in die Defensive gehen, dann werden wir am Ende wie ein nasser Aufnehmer durch die Ecken der Kammer geworfen - dann ist plötzlich alles, was wir tun und lassen, falsch."
Heißt das also, dass De Wever es bedauert, dass Theo Francken ich am Ende entschuldigt hat? Die Zeitung Gazet van Antwerpen glaubt jedenfalls in ihrem Leitartikel, dass die Regierung vielleicht schon nicht mehr bestehen würde, wenn De Wever nicht in China gewesen wäre, sondern zuhause.
Kollaboration: "Falsch verstanden"
Und die latente Relativierung der Kollaboration, die man Jan Jambon vorgeworfen hat? Das habe man bewusst falsch verstanden, sagt De Wever. Natürlich hatten Menschen "ihre Gründe", wenn sie kollaboriert haben, sagt De Wever. Insofern sei doch an den Aussagen von Jambon gar nichts verkehrt.
Der spätere Papst Joseph Ratzinger war in der Hitlerjugend, der spätere französische Präsident François Mitterand war ein Kollaborateur und der belgische König hat mit Hitler einen Kaffee getrunken, um seine Macht zu erhalten. Man müsse das in seinen historischen Kontext setzen, wobei dieses Verhalten natürlich falsch war, sowohl prinzipiell, als auch taktisch, sagt De Wever.
Falsch sei im Übrigen auch die Haltung vieler Mitglieder der flämischen Bewegung gewesen, als dessen Erbe er sich ja betrachte. Dass ein großer Teil der flämischen Bewegung auf der falschen Seite gestanden habe, das sei natürlich ein dunkles Kapitel der Geschichte, sagt De Wever. "Aber ich bin 1970 geboren. Kann ich mich jetzt bitte mit den Problemen des 21 Jahrhunderts beschäftigen?"
"Zum tausendsten Mal, das war falsch! Aber, mal ehrlich: Sie bilden eine Regierung, die eine sozial-wirtschaftliche Reformagenda durchziehen will, und was passiert - Sie debattieren über die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Wie surrealistisch ist das denn?", echauffiert sich De Wever:
Das war übrigens nicht nur die erste, sondern beinahe einzige Stellungnahme des N-VA-Chefs zu dem Thema. Den frankophonen Medien jedenfalls, angefangen bei der RTBF, wollte Bart De Wever kein Interview gewähren.
Bild: Thierry Roge/BELGA