Die Kammerdebatte über das Programm der neuen Regierung hat die ganze Nacht gedauert. Insgesamt debattierten die Abgeordneten 21 Stunden lang. Zum Teil kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Regierungsparteien und der Opposition.
Premier Michel ging auf die Vorwürfe gegen die N-VA-Regierungsmitglieder Jambon und Francken ein. Im Namen seiner Regierung verurteilte Michel die Kollaboration während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Für die Opposition war diese Klarstellung überfällig. "Herr Michel, wachen Sie auf", hatte sich zuvor noch die CDH-Fraktionsvorsitzende Catherine Fonck an den Premierminister gewandt. Auch PS und ECOLO hatten Charles Michel aufgerufen, sich deutlich von der Haltung der N-VA-Regierungsmitglieder Jambon und Francken zu distanzieren.
Dann trat der Premier ans Rednerpult. Was er da in den letzten Stunden gehört habe, sei an der Grenze zur Beleidigung, sagte Michel. Seine beiden Großväter hätten den Krieg erlebt. Und es bestehe überhaupt kein Zweifel, dass er selbst und die Regierung in der Gesamtheit die Kollaboration verurteilten. Das sei ein Verbrechen, für das es keine Rechtfertigung gebe.
Bei der Kammerdebatte über das Regierungsprogramm stand nach der Chaossitzung vom Dienstag dann doch weitgehend der Inhalt im Mittelpunkt. Die Regierung legte am Mittwochabend auch die konkreten Budget-Daten vor, nachdem die Opposition schon wegen des Mangels an konkreten Daten eine Unterbrechung der Sitzung gefordert hatte. "Endlich", aus Sicht der Opposition. Man könne schließlich nicht über einen Haushalt debattieren, wenn nicht mal die Eckdaten bekannt seien, kritisierten insbesondere die Grünen.
Aus den Zahlen geht vor allem eins hervor: Alle Departements werden den Gürtel enger schnallen müssen. Die Liste der Sparmaßnahmen ist lang. SNCB: zwei Milliarden; die Interkommunalen: 230 Millionen; bpost: 6,5 Millionen und dann noch mal 40 Millionen. Allein die Erhöhung der Akzisen auf Tabakprodukte soll 325 Millionen einbringen.
Die Gewerkschaften haben ja ihrerseits schon klargemacht, dass sie das Regierungsprogramm quasi auf der ganzen Linie ablehnen. Jetzt wurde eine Reihe von Protestaktionen angekündigt, die am 15. Dezember mit einem Generalstreik ihren Höhepunkt erreichen sollen. Vor diesem Hintergrund erneuerte Premierminister Charles Michel unterdessen sein Dialogangebot an die Adresse der Gewerkschaften. In der kommenden Woche wolle man den Gewerkschaften die Einzelheiten des Programms vorstellen.
Die Debatte über das Regierungsprogramm wird am Donnerstag in der Kammer fortgesetzt. Nachdem die neue Föderalregierung am Mittwoch die Eckdaten des Staatshaushaltes und der anstehenden Sparmaßnahmen vorgestellt hat, wird am Donnerstag unter anderem die Asylpolitik Thema sein.
Bild: Bruno Fahy (belga)