Die neue Regierung ist gerade einmal seit vergangenem Samstag im Amt. Und sofort versuchen einige Minister, die Wogen zu glätten. Der OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo relativierte in der VRT die Rentenpläne der Regierung. Die Schwedische Koalition hat ja die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 beschlossen. Das werde aber längst nicht für alle gelten, sagte De Croo. Wer mit 18 angefangen habe zu arbeiten, der könnte weiterhin mit 61 in den Ruhestand gehen. Auch würden Ausnahmeregelungen für "schwere Berufe" vorgesehen.
Der neue Arbeitsminister Kris Peeters nahm seinerseits zum geplanten Indexsprung Stellung. Es handele sich um einen intelligenten Indexsprung, betonte Peeters. Die kleinen Bezüge seien also ausgenommen. Außerdem würden die Einkommensverluste durch Steuersenkungen kompensiert. Peeters rief die Sozialpartner dazu auf, gemeinsam einen "Zukunftsplan" auszuarbeiten. Man müsse dafür sorgen, dass der Indexsprung nicht ausschließlich die Kassen der Unternehmen und ihrer Aktionäre aufbessere. Vielmehr sollte die Maßnahme auch tatsächlich die Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Folge haben.
Bei den Arbeitgebern stößt Peeters damit nicht auf taube Ohren. Wir betrachten den Indexsprung nicht als ein Geschenk an die Betriebe, sondern als ein Geschenk für den Arbeitsmarkt, sagte Pieter Timmermans vom Unternehmerverband FEB. Neue Jobs zu schaffen, das müsse das Ziel sein, daran müsse man in den kommenden Wochen arbeiten. Deswegen nehme man das Gesprächsangebot des Arbeitsministers denn auch gerne an.
Und auch in punkto Rentenreform wolle man das Gespräch mit den Gewerkschaften suchen, sagte Karel Van Eetvelt vom flämischen Unternehmerverband UNIZO. Die Unternehmen seien sich darüber im Klaren, dass man unbedingt die Grundvoraussetzungen schaffen müssen, um Menschen über 55, bald über 60, weiter zu beschäftigen. Und hier brauche man natürlich den Dialog mit den Arbeitnehmervertretungen. So sehr man der Koalition bislang einseitiges Handeln vorgeworfen hatte, so sehr werden also insbesondere die Gewerkschaften inzwischen umbuhlt, nach dem Motto: Wir können es nur alle gemeinsam schaffen.
Da wird man allerdings noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Es sei doch offensichtlich, so sagt CSC-Chef Marc Leemans, dass hier nur eine Bevölkerungsgruppe zur Kasse gebeten werde: die Arbeitnehmer, also diejenigen, die ohnehin schon die schwerste Steuerlast tragen. Über den Indexsprung werde nicht nur die Kaufkraft beschnitten, beklagt auch Rudi De Leeuw von der sozialistischen FGTB, die Maßnahme schade auch der Finanzierung der Sozialen Sicherheit. Eben: eine asoziale Politik.
Die Politik des leeren Stuhls sei natürlich keine Option, betonen beide Gewerkschafter. Klar werden wir nicht die Dialogangebote ausschlagen. Nur sei das, was die Regierung da vorlege, dermaßen unannehmbar, sagt Marc Leemans von der CSC, dass man nicht sehe, wie man denn da noch zu einer Win-Win-Situation kommen könne.
Proteste seien jedenfalls der falsche Weg, sagt Pieter Timmermans vom Unternehmerverband FEB. Die neuen Maßnahmen der Regierung könnten positive Effekte haben. Grundbedingung sei allerdings, dass man das Land nicht kaputtstreike. Diese kaum verhohlene Drohung bekam FGTB-Chef Rudi De Leeuw dann aber doch in den falschen Hals. "Kaputtstreiken", allein dieses Wort zeige doch, auf welchem Niveau die ganze Diskussion hier stattfinde, wetterte De Leeuw.
Kriminelle Menschen ohne Papiere ausweisen
In den geschlossenen Zentren für Asylbewerber müssen kurzfristig hundert zusätzliche Plätze für Menschen ohne Papiere entstehen. Dies hat zusätzliche Abschiebungen zur Folge. Das sagte der neue Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, mehreren flämischen Zeitungen. Wenn Illegale aufgegriffen würden, stehe für diese Personen kein Platz zur Verfügung. Sie erhielten dann mehrmals die Aufforderung, das Land zu verlassen.
Er wolle diesen Teufelskreis durchbrechen, so Staatssekretär Theo Francken. Seine Priorität bestehe darin, kriminelle Menschen ohne Papiere aufzugreifen. Ziel sei nicht etwa, Migranten auszuweisen, die integriert und in Engpassberufen tätig seien.
Bild: Jonas Roosens (belga)