Die Polizeigewerkschaften haben eine bußgeldfreie Woche ausgerufen. Kleinere Verkehrsübertretungen sollen ab Dienstag für die Dauer einer Woche nicht geahndet werden. Schwere Vergehen sind dagegen ausdrücklich von der Aktion ausgenommen.
Mit der Aktion protestieren die Polizisten gegen die neue Pensionsregelung, derzufolge sie frühestens mit 62 Jahren in Rente gehen können. Unklar ist allerdings, ob und wieviele Polizeibeamte sich an der Aktion beteiligen werden.
Die Beamten setzen auf "erzieherische Maßnahmen". So wollen sie bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung in jedem Fall eine Ermahnung aussprechen.
Vor zwei Wochen waren in Brüssel etwa 14.000 Polizisten auf die Straße gegangen, um gegen einen Entscheid des Verfassungsgerichts zu protestieren, der ihnen den Zugang zur Rente zwischen 54 und 58 Jahren erschwert.
"Warum fährst Du so schnell?"
Der Zeitpunkt der Polizei-Protestaktion ist vielleicht ein wenig unglücklich gewählt. Ausgerechnet heute startet das Institut für Straßenverkehrssicherheit IBSR eine neue Sensibilisierungskampagne gegen überhöhte Geschwindigkeit. "Warum fährst Du so schnell?", so die anklagenden Worte des Mädchens Laura, das im Rollstuhl sitzt.
Laura ist eine Schauspielerin, die Geschichte aber ist wahr. Einer von drei Unfällen sei auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen, sagt Koen Peeters vom IBSR. Zwar könne man feststellen, dass die Zahl der Verkehrstoten leicht abgenommen habe. Die Zahl der Verletzten bleibe aber unverändert. "Ihr Schicksal wollen wir jetzt einmal in den Fokus stellen", sagt Peeters.
Nach Angaben des IBSR werden im Durchschnitt jeden Tag 148 Menschen im Straßenverkehr verletzt - 13 von ihnen schwer. Und für jeden Einzelnen von ihnen und auch dessen Angehörige bedeutet das, dass sich das Leben grundlegend verändern wird.
Die eindringliche Botschaft des IBSR lautet deswegen: "Fuß vom Gas". Weil das viele Verkehrsteilnehmer nach wie vor nicht ganz freiwillig tun, gibt es eben Geschwindigkeitskontrollen. Und dafür ist die Verkehrspolizei zuständig, die genau jetzt eine "knöllchenfreie Woche" ausgerufen hat.
Freibrief für Raser?
Die Polizeiaktion stößt längst nicht überall auf Verständnis. In Zeitungen war schon sinngemäß von einem "Freibrief für Raser und Rowdies" die Rede. Angesichts der beißenden Kritik sah sich die Polizeigewerkschaft SLFP dazu gezwungen, einige Dinge klarzustellen. Die Aktion beschränke sich auf kleinere Vergehen, sagt Vincent Gilles von der SLFP.
Gehe es um Alkohol am Steuer, um Geschwindigkeitsübertretungen, um Fahren ohne Versicherung, ohne TÜV, oder ohne Führerschein, dann werde der Beamte natürlich ganz klar das Vergehen ahnden.
"Wir waren ohnehin nicht ganz glücklich mit dem Begriff 'knöllchenfreie Woche'", sagte auch Gert Cockx von der Gewerkschaft NSPV in der VRT. Das Ganze sei eher als eine Schwerpunktverlagerung zu betrachten, sagt Cockx. "In den nächsten Tagen werden wir den pädagogischen Aspekt in den Vordergrund stellen. Stellen wir ein Vergehen fest, dann werden wir die Autofahrern sensiblisieren."
Die Gewerkschaften haben nach eigenen Angaben keine klare Order an ihre Mitglieder ausgegeben. Sprich: es bleibt im Ermessen der einzelnen Beamten, ob sie ein Delikt nun ahnden oder nicht. In jedem Fall lautet die Botschaft ganz klar: Es ist vielleicht eine Protestaktion, aber nicht gleich die Woche der Anarchie.
vrt/sh/jp - Bild: Kurt Desplenter (belga)