In einem orangefarbenen Blazer ist Marianne Thyssen am Donnerstagmittag zusammen mit Kris Peeters und Wouter Beke, dem Vorsitzenden der flämischen Christdemokraten, vor die Presse getreten. "Ich bin den beiden Männern und meiner Partei sehr dankbar und werde mich in den nächsten fünf Jahren mit voller Kraft für Europa einsetzen", erklärt Marianne Thyssen.
Der designierte Kommissionschef Jean-Claude Juncker soll Marianne Thyssens Nominierung mit den Worten "ausgezeichnete Wahl" kommentiert haben.
Marianne Thyssen ist gelernte Juristin. Sie hat ihre Karriere bei der flämischen Mittelstandsvereinigung Unizo begonnen und hat dort in den 1980er Jahren Kris Peeters eingestellt. 1991 ist ihre europapolitische Karriere gestartet, sie wurde Mitglied des EU-Parlaments. Marianne Thyssen hat sich auf Wirtschafts- und Währungsfragen spezialisiert und hat an der strengen europäischen Gesetzgebung zur Bankenregulierung mitgeschrieben. Das hat ihr europaweit Beachtung verschafft, unter anderem vom damaligen Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, beide ebenfalls Christdemokraten.
Im Jahr 2008 gab es ein kurzes Intermezzo in der nationalen Politik. Marianne Thyssen übernahm damals den Parteivorsitz der CD&V. Doch nach dem Debakel für die Christdemokraten bei der vorgezogenen Neuwahl im Jahr 2010 hat sie den Posten wieder abgegeben.
Weil sie eine Frau ist und über so viel EU-Erfahrung verfügt, winkt der Flamin ein wichtiges Ressort in der Kommission zu, möglicherweise sogar die Wettbewerbsaufsicht. Sollte das europäische Parlament grünes Licht geben, gehört Thyssen ab November zum Kreis der mächtigsten Frauen Europas.
Glückwünsche aus allen politischen Lagern
Sogar N-VA-Chef Bart De Wever, der seit Wochen nicht mehr öffentlich zu den Verhandlungen Stellung bezogen hatte, lobt die CD&V-Politikerin Marianne Thyssen bei Twitter in den höchsten Tönen. Sie sei äußerst geeignet für dieses hohe Amt.
Regierungsbildner Kris Peeters hatte bereits am Donnerstagmittag erklärt, seine Parteikollegin verfüge über alle diplomatischen Eigenschaften und den natürlichen Führungsstil, der für ein solches Amt von Nöten sei. Auch die OpenVLD ist voll des Lobes: "Nach Karel De Gucht erneut eine belgische Spitzenkraft für die EU-Kommission", erklärte Gwendolyn Rutten, die Vorsitzende der OpenVLD. Hervorgehoben wird vor allem Thyssens europapolitische Erfahrung.
Erstaunlicherweise beschränkt sich die Lobeshymne nicht auf die Parteien der Schwedischen Koalition. Auch von künftigen föderalen Oppositionspolitikern gibt es Glückwünsche, etwa vom scheidenden Premierminister Elio Di Rupo. Einen kleinen Seitenhieb kann die PS sich aber nicht verkneifen. Die CD&V habe mit dem EU-Kommissar im Vergleich zum Premierminister für den sichereren Posten optiert, ganz bestimmt in einer Kamikaze-Koalition.
Die Grünen freuen sich dagegen und fordern eine Anhörung Thyssens in der Kammer – nach europäischem Vorbild.
Bild: Jonas Roosens (belga)