Nicht einfach sei das Ganze, räumt Ko-Regierungsbildner Kris Peeters in der RTBF ein. Nicht einfach, wenn zwei Parteien einen Posten für sich beanspruchen. Nicht einfach, wenn für die beiden aussichtsreichsten Kandidaten gute Gründe sprechen. Die Frage, wer der nächste belgische EU-Kommissar werden soll, ist der erste wirkliche Spaltpilz für die Schwedische Koalition.
Zwei Favoriten
Für die Blauen jedenfalls kann es nur einen geben: Didier Reynders. Klar hat der die Fähigkeiten, lobte etwa in der RTBF der frühere Regionalminister Serge Kubla. Reynders sei überaus fähig, darüber hinaus sprachgewandt und kenne das Europäische Parkett.
Die CD&V steht ihrerseits wie ein Mann hinter einer Frau: Marianne Thyssen. Mit ihr könne Belgien in der EU-Kommission mit Sicherheit punkten, sagte der Ex-Föderalminister Steven Vanackere in der VRT.
Dass sowohl Reynders als auch Thyssen in der EU-Kommission eine gute Figur machen würden, daran besteht wohl kein Zweifel. Nur ist es eben so, dass Belgien nur einen Vertreter in die Kommission entsenden kann.
EU bittet um eine Frau
Ein externes Element könnte als Entscheidungshilfe in Betracht kommen: "Cherchez la femme..." Jean-Claude Juncker braucht eine zusätzliche Frau für seine Equipe. Bislang sind es gerade einmal sechs weibliche Kommissionsmitglieder. Bleibt es dabei, dann droht das EU-Parlament, der Kommission nicht das Vertrauen auszusprechen. Dann hätten wir eine institutionelle Krise, warnt CD&V-Altmeister Marc Eyskens. Das könne man doch nicht riskieren wegen einer banalen belgischen Regierungsbildung.
Weiteres Argument: Juncker verspricht, den Kommissarinnen wirklich wichtige Zuständigkeiten zu geben. Dies eben, um die Länder dazu zu ermuntern, Frauen zu nominieren. Auch eine solche Gelegenheit könne man sich nicht entgehen lassen, heißt es bei der CD&V.
Mag ja alles sein, reagiert man stoisch bei den frankophonen Liberalen. Aber die CD&V könne nicht alles haben. Entweder die Christdemokraten stellen den Premier, oder sie stellen den EU-Kommissar, aber nicht beides.
Wegen der Blockade sind auch andere Optionen möglich. So sind etwa auch die OpenVLD-Politiker Gwendolyn Rutten und Karel De Gucht noch im Rennen.
Posten statt Inhalt
Für den einen oder anderen mag es nach einem klassischen "Pöstchenschacher" klingen. Und doch gibt es nachvollziehbare Gründe für den Knatsch. Bei der Suche nach einem belgischen Kompromiss gilt bekanntlich die Maxime: "Le tout est dans le tout" - ein Kompromiss ist immer nur die Summer von Kompromissen. Konkret: Inhaltliche Zugeständnisse können über Ämter kompensiert werden. Wer allzu viel Wasser in seinen Wein gießen muss, der bekommt als Gegenleistung einen Posten. Aus Gründen der Realpolitik sei es dann auch schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt schon über Ämter zu reden, sagt auch sinngemäß Kris Peeters.
Gerade in dieser Woche wollten sich die vier Parteien der Schwedischen Koalition eigentlich über den Haushalt beugen. Und da steht eine Reihe von Tabus zur Disposition. Zum Beispiel: Eine Besteuerung der Kapitalgewinne beim Verkauf von Aktien. Das ist für die Liberalen und die N-VA ein Rotes Tuch.
Anderes Beispiel: Ein Indexsprung: das kommt für den Gewerkschaftsflügel der CD&V nicht infrage. Wer hier eine Einigung erzielen will, der braucht Handlungsspielraum. Und eine gängige Währung sind da nun mal auch Posten.
Kris Peeters, der ja zusammen mit dem MR-Kollegen Charles Michel als Regierungsbildner fungiert, kennt das Geschäft. Klar unterstütze seine Partei Marianne Thyssen, sagt Peeters, er müsse aber als Regierungsbildner das große Ganze vor Augen haben.
Das klingt, als würde da einer das Jackett eines Premierministers überstreifen. Peeters stellt sich demonstrativ über die Mêlée: Stichtag für Jean-Claude Juncker ist der Donnerstag. Nun, bis dahin werde er versuchen, eine Lösung zu finden, die alle Parteien zufrieden stelle.
Bild: Eric Lalmand (belga)