Ansprüche auf den Posten an.
Der Luxemburger Jean-Claude Juncker hat ein ganz wichtiges Anliegen: Er will mehr Frauen in seiner Equipe. Zumindest mehr als bisher. Bislang gibt es gerade einmal vier weibliche Kandidaten auf einemKommissionsposten, vier von 28. Der künftige EU-Kommissionsvorsitzende will die Mitgliedstaaten doch noch dazu bringen, Frauen in sein Team zu entsenden. 23 der 28 Mitgliedstaaten haben sich schon entschieden. Juncker blickt da besonders hartnäckig auf Belgien: Die Nominierung des belgischen Vertreters der EU-Kommission steht aus, das hängt im Wesentlichen vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen ab.
Juncker hat über verschiedene Kanäle eine Wunschkandidatin benannt: Marianne Thyssen. Thyssen ist nicht nur eine Frau, sie sitzt seit über 20 Jahren im EU-Parlament und genießt als Abgeordnete einen hervorragenden Ruf. Auch Jean-Claude Juncker ist dem Vernehmen nach von den Qualitäten der CD&V-Politikerin angetan. Juncker habe "höchsten Respekt" vor Marianne Thyssen, so hört man. Juncker will Marianne Thyssen, ohne Wenn und Aber.
Die politische Realität in Belgien macht die Sache kompliziert. Vier Parteien führen derzeit Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Föderalregierung. N-VA, CD&V, MR und OpenVLD. Die N-VA ist eindeutig die stärkste Partei am Tisch, es folgt die MR vor der CD&V. Und doch soll die CD&V den Premier stellen. Das hat verschiedene Gründe: Die N-VA ist nicht sonderlich scharf auf ein "belgisches" Spitzenamt. Zudem ist die Partei im südlichen Landesteil ein rotes Tuch. Auf frankophoner Seite ist die MR alleine und verfügt nur über 20 der 63 frankophonen Sitze. Als aussichtsreichster Kandidat gilt denn auch der bisherige flämische Ministerpräsident Kris Peeters. Den EU-Kommissar bekämen die Liberalen. Hier fällt häufig der Name Didier Reynders, aber auch der bisherige OpenVLD-Kommissar Karel De Gucht scheint noch im Rennen zu sein.
Entweder Premier oder EU-Kommissar
Die flämischen Christdemokraten wären als drittstärkste Kraft mit dem Posten des Premiers eigentlich schon gut bedient. "Und man kann eben nicht alles haben", tönen vor allem die Liberalen. Der Posten des EU-Kommissars ist in der Ämterhierarchie relativ weit oben angesiedelt. Und dann heißt es wohl: "entweder oder", vor allem bei der MR. "Entweder die CD&V bekommt den Premier oder den EU-Kommissar, aber nicht beides."
Jean-Claude Juncker weiß auch, dass am Ende allein die Mitgliedstaaten entscheiden, wen sie in die Kommission entsenden. I einer österreichischen Zeitung sagte er: "Wenn es am Ende wirklich so sein sollte, dass man die weiblichen Kommissare an einer Hand abzählen kann, dann bekämen die eben die wirklich wichtigen Zuständigkeiten, sozusagen als Ausgleich." Didier Reynders und Karel De Gucht müssten sich vielleicht am Ende mit weniger bzgnügen. Dies umso mehr, weil beide Liberale sind und das Gewicht der Liberalen nach der Europawahl eher abgenommen hat. "Spitzenzuständigkeiten wie Wettbewerb, Außenhandel, Haushalt oder Außenbeziehungen könnten sich Reynders und De Gucht gleichermaßen abschminken", glaubt die Zeitung Het Laatste Nieuws erfahren zu haben.
Marianne Thyssen jedenfalls ist in die Offensive gegangen. Die ehemalige CD&V-Vorsitzende meldet in den Zeitungen L'Echo und De Tijd offen Ansprüche auf den Kommissarsposten an. Die Liberalen bleiben ihrerseits bei ihrer "Entweder-Oder-Rhetorik". L'Echo spricht von einem "offenen Krieg" zwischen der CD&V und der MR.
Die N-VA hält sich ihrerseits demonstrativ aus dem Knatsch heraus. Die Partei von Bart De Wever konzentriere sich zu hundert Prozent auf die Föderalregierung, glaubt L'Echo. Oberstes Ziel der N-VA sei es, die Schlüsselposten in der Regierung einzunehmen, wie etwa den Haushaltsminister zu stellen.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)