Das Ganze erinnert langsam aber sicher an einen Agententhriller à la "Mission impossible". Bekannt ist, dass Belgien in den nächsten Monaten auf mindestens drei seiner insgesamt 7 Atomreaktoren verzichten muss: Doel 3 und Tihange 2 sind wegen der ominösen Mikrorisse außer Betrieb. Doel 4 ist abgeschaltet, nachdem ein Unbekannter das Schmieröl aus der großen Dampfturbine abgelassen hatte. Hier geht man von einem mutwilligen Akt aus, anders gesagt von Sabotage.
Neu ist, dass das möglicherweise nicht der erste Sabotage-Akt ist. Das zumindest ist der Zeitung Het Laatste Nieuws zu Ohren gekommen. Und das Blatt stellt klar eine Frage in den Raum: "Will jemand absichtlich in Belgien das Licht ausknipsen?".
Um diese Frage zu beantworten, muss man die Zeit um ein knappes halbes Jahr zurückdrehen. Sonntag, 16. März: Im Umspannwerk von Monceau-sur-Sambre in der Nähe von Charleroi bricht ein Feuer aus. Dabei wird das Herzstück der Anlage zerstört, ein sogenannter Phasenschiebertransformator.
Es sind die Umstände, die inzwischen hellhörig machen. Offenbar gab es einen Schmierölverlust an dem Transformator. Weil der Brand in unmittelbarer Nähe ausbrach, entzündete sich das Öl und es gab zwei aufeinander folgende Explosionen. Wenn man sich vor Augen hält, was in Doel 4 passiert ist, stellt sich plötzlich die Frage: Hat da womöglich auch jemand nachgeholfen?
Dies, zumal das Umspannwerk von Monceau-sur-Sambre von strategischer Bedeutung ist. Hier kommt im Bedarfsfall der französische Atomstrom an, genau gesagt aus dem AKW von Chooz in der Nähe von Charleville-Mézières. Elia, der Betreiber des Hochspannungsnetzes, bezeichnet Monceau-sur-Sambre als "Schlüsselelement" bei der Einfuhr von französischem Strom.
Und dieses "Schlüsselelement" ist nach Angaben von Elia voraussichtlich noch bis zum 31. Dezember außer Betrieb. Bliebe noch Holland als möglicher Strom-Importeur. Laut Het Laatste Nieuws sieht es dort aber nicht sehr viel besser aus. Im ebenso wichtigen Phasenschiebertransformator von Zandvliet in der Nähe von Antwerpen sind in den nächsten Wochen Wartungsarbeiten vorgesehen.
Das flämische Massenblatt macht die Rechnung auf: Auf der einen Seite fallen mindestens 3 Atomreaktoren aus. Wahrscheinlich werden es aber vier sein, weil auch Tihange 1 wegen Wartungsarbeiten heruntergefahren werden soll. Damit fehlen zwei Drittel des im Idealfall verfügbaren Atomstroms - rund 4.000 Megawatt.
Normalerweise kann Belglien maximal 3.500 Megawatt einführen. Wenn die Transformator-Probleme in Monceau und Zandvliet andauern, dann dürfte das in den nächsten Monaten weniger sein. In diesem Fall sind Blackouts nicht zu vermeiden, sagt ein nicht genannter hoher Sicherheitsverantwortlicher in Het Laatste Nieuws.
In einem harten Winter kann der Strombedarf Spitzen von 14.000 Megawatt erreichen. In der jetzigen Situation wäre das unmöglich zu stemmen. Mit jedem Tag nimmt deshalb die allgemeine Verunsicherung zu. Die Vereinigung der Städte und Gemeinden aus Flandern und der Wallonie fordert schnellstens Klarheit.
Im Krisenstab des Innenministeriums wird derzeit an einer Landkarte gearbeitet, auf der so genannte "Abschaltgebiete" vorgesehen werden sollen. Sollte es zu einem Engpass komme, dann würde wohl zunächst im ländlichen Raum das Licht ausgehen.
Das Thema hat jedenfalls absolute Priorität - ein möglicher Blackout hätte dramatische Folgen, und das nicht nur für zentrale Bereiche wie die Gesundheitsversorgung. Nach Berechnungen des Planbüros würde ein nationaler Stromausfall die Wirtschaft 120 Millionen Euro kosten - pro Minute!
rop - Bild: Christoph Meeussen (belga)