"Notfall ohne Notarzt": Dieses Szenario will wohl keiner am eigenen Leib erleben. Aber selbst in Belgien, einem Land mit einem der besten Sozialsysteme in Europa, kommt das vor. Das Krankenhaus von Diest musste diese Woche die Notaufnahme schlichtweg schließen, weil der diensthabende Arzt krank war. Ersatz konnte nicht mobilisiert werden.
Als eine Frau dann nachts in ihrem Haus gefallen und sich eine 15 Zentimeter große Platzwunde zugefügt hatte, musste sie auf ihre Behandlung warten, bis der Frühdienst im Krankenhaus seine Arbeit aufgenommen hatte.
Insgesamt fehlen in Belgien rund 1.200 Ärzte, rechnet die Zeitung Het Laatste Nieuws vor. Man könnte auch sagen: Sie arbeiten an der falschen Stelle, zum Beispiel privat wie bei der Organisation der Royal Doctors. Seit gut zehn Jahren gibt es dieses Unternehmen mit Sitz in Zaventem. Das Konzept ist das eines Privatunternehmens.
"Wir haben eine bestimmte Anzahl von Ärzten zur Verfügung, die keine Wartelisten haben, die sich ganz in Ruhe um die Analyse und das Dossier des Patienten kümmern können", erklärt Gründer Joris Vanvinckenroye. "Wir fragen die Patienten nach ihren Wünschen. Auf Grundlage all dieser Informationen entscheiden wir dann zusammen mit dem Patienten, welcher Arzt für sie der beste für eine Behandlung seien könnte."
Mehr als 800 Ärzte auf der ganzen Welt arbeiten mittlerweile für die Royal Doctors. Mark Nelissen, Direktor der Privatklinik "Global Care Clinic" in Zolder (nicht weit entfernt von Diest) sieht sein Engagement als Ergänzung zu den Leistungen in Krankenhäusern. "Die Kliniken der Royal Doctors sind eine Art Satellit für die klassischen Krankenhäuser. Diese können sich dank der Royal Doctors mehr um die schweren Krankheitsbilder kümmern, ohne auch noch die Last der leichten Eingriffe stemmen zu müssen", erklärt Nelissen. Die Wartelisten, die es für diese Eingriffe in Belgien ja leider gebe, könnten dadurch deutlich verkürzt werden.
Das hört sich gut an, ist aber nicht so einfach. Denn genauso königlich wie die Behandlung sind auch die Kosten. Einen Euro pro Tag zahlt man für die Mitgliedschaft, dazu kommen die Behandlungskosten. Und wenn der beste Arzt für die analysierte Krankheit dann auch noch in den USA oder auch nur in Monaco oder Hannover praktiziert, kann es schnell teuer werden für den Patienten. Das belgische Gesundheitswesen zahlt natürlich nicht dafür, was auch noch andere Konsequenzen hat. Denn wenn ein Behandlungsfehler auftritt, kann man rechtlich dagegen nicht vorgehen.
Und wenn sich tatsächlich die Wartelisten für bestimmte Eingriffe durch die Royal Doctors verkürzen lassen, so müssen Patienten des öffentlichen Gesundheitswesens an anderer Stelle bluten, wie Stefaan Callens, Professor für Gesundheitsrecht an der Universität Löwen,unterstreicht. "Wenn diese Fachärzte die öffentlichen Krankenhäuser verlassen, um ihr eigenes Ärzte-Zentrum zu gründen, wird das in Krankenhäusern zu Problemen führen. Diese brauchen nämlich die Einnahmen der Operationen, um dadurch andere Maßnahmen finanzieren zu können, wo man Intensivhilfe oder Notfalldienste leisten muss."
Überspitzt könnte man also sagen: Wenn es Privatdienste wie die der Royal Doctors nicht geben würde, wäre es auch nicht zu dem Engpass in der Notfallversorgung im Krankenhaus von Diest gekommen. Oder anders gesagt: Worüber sich finanzstarke Patienten freuen können, wird zum Nachteil für den Normalbürger. Die freie Marktwirtschaft macht das auch im Gesundheitswesen möglich.
Bild: Joe Raedle (afp)