Das Tischtuch ist zerrissen. Nichts geht mehr bei Delhaize zwischen den Gewerkschaften und der Direktion. Mit der Ankündigung eines drastischen Umstrukturierungsplans hatte die Geschäftsleitung ja schon Mitarbeiter wie Gewerkschaften gleichermaßen buchstäblich umgehauen. Zwar waren Einschnitte erwartet worden, niemand, auch nicht außenstehende Beobachter, hatten aber mit einem solchen Umfang gerechnet.
Delhaize will sich von 14 unternehmenseigenen Supermärkten trennen. Insgesamt will das belgische Traditionsunternehmen bis zu 2.500 Arbeitsplätze abbauen.
Viele Mitarbeiter standen unter Schock. An den Tagen nach dem schwarzen Mittwoch kam es denn auch immer wieder zu Protestaktionen in einzelnen Märkten. Die Direktion zeigte dafür aber herzlich wenig Verständnis. Und dann kam es zu einem veritablen Knall.
Der Delhaize von La Louvière, am vergangenen Samstag. Belgien-Direktor Denis Knoops hatte den bestreikten Markt persönlich besucht. Er redete dabei aber mehr als eine Stunde lang ausschließlich mit den Personalmitgliedern, die sich nicht an dem Ausstand beteiligten und im Markt bei der Arbeit waren. Die Streikposten draußen ignorierte er. Beim Rausgehen, wird es darauf angesprochen: "Warum bekommen wir nicht dieselben Infos wie die Kollegen drinnen", wird Denis Knoops gefragt.
Also, so sagt Delhaize-Direktor Knoops, er sei gekommen, um die Mitarbeiter zu unterstützen, die arbeiten wollen. Das seien die wahren Delhaizer. Buhrufe... Empörung. Wut. Ein Skandal sei das, sagte ein CSC-Gewerkschafter. "Wir hier draußen, wir sind also keine Delhaize-Mitarbeiter, wir spielen keine Rolle."
Die "wahren Delhaizer"
Die "vrai Delhaiziens", die "wahren Delhaizer". Diesen Spruch könnte Belgiendirektor Denis Knoops inzwischen vielleicht bereut haben. Damit jedenfalls war für viele das Maß aber wirklich voll, voller geht's nicht.
Entsprechend vergiftet die Atmosphäre im Vorfeld einer neuen Betriebsratssitzung, die am Mittwoch am Brüsseler Hauptsitz des Unternehmens in Molenbeek stattfand. Geschäftsführer Denis Knoops fehlte entschuldigt. Das war im Vorfeld eigentlich schon so bekanntgegeben worden. Die Gewerkschaften betrachteten das dennoch als einen neuen Affront. Herr Knoops sieht es nicht mal für nötig an, sich mit uns allen hier an einen Tisch zu setzen, wettert Myriam Delmée von der sozialistischen Angestelltengewerkschaft SetCA. "Nein, Herr Knoops zieht es vor, Märkte zu besuchen, um dort die Mitarbeiter zu beleidigen".
Grimmige Stimmung unter den Delhaize-Mitarbeitern vor dem Hauptsitz. "Wir wollen doch nur, dass uns die Direktion nicht als Abfall betrachtet - im Gegensatz zu den angeblich 'wahren Delhaizern'", sagte ein CSC-Gewerkschafter. Ohne öffentliche Entschuldigung, keine Verhandlungen, sagte Pascal Freson von der liberalen CGSLB in der RTBF.
Anscheinend hat Denis Knoops schon per E-Mail sein Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck gebracht. Die E-Mail war aber an die Gewerkschaften gerichtet. Die Reaktion einer Delegierten: "Knoops sollte sich lieber bei denen entschuldigen, die er beleidigt hat, bei den Mitarbeitern nämlich".
Gewerkschaften drängen auf Information
Die Gewerkschaften wollen sich in jedem Fall nicht von der Direktion in einen Zeitplan quetschen lassen. "Wir gehen nicht da rein, um zu verhandeln", sagte Myriam Delmée von der SetCA im Namen der gemeinsamen Gewerkschaftsfront. "Wir legen denen da nur unsere Fragen auf den Tisch. Wir verlangen zusätzliche Informationen."
Hunderte, nein, tausende Fragen sollen es sein, die die Gewerkschaften der Direktion auf den Tisch gelegt haben. Bei einer neuen Betriebsratssitzung in der kommenden Woche soll es erste Antworten geben. Verhandeln wolle die Gewerkschaften in jedem Fall erst nach der Sommerpause. Das nennt man wohl eine Blockade.
Und daran ist die Geschäftsleitung mit Sicherheit nicht unschuldig, sagt ein Kommunikationsexperte in der Wirtschaftszeitung L'Echo. Die Delhaize-Direktion verhalte sich wie ein Elefant im Porzellanladen, sagt der Fachmann. In einer solchen Situation dürfe man nichts übers Knie brechen wollen. Und vor allem müsse man es vermeiden, schon vor Beginn der eigentlichen Sozialverhandlungen schon aus der Rolle zu fallen.
In seinem Leitartikel geht das sonst eher unternehmerfreundliche Echo dann auch hart ins Gericht mit den Delhaize-Bossen. Delhaize scheine "herumzuimprovisieren", meint das Blatt. Knoops sei doch vor einer Woche an die Spitze von Delhaize-Belgien bombardiert worden und müsse jetzt den Plan seines Vorgängers umsetzen. Und es sei haarsträubend, zu sehen, wie schlecht er auf diese schwierige Aufgabe vorbereitet ist. Und wo ist eigentlich der große Delhaize-Chef, der Niederländer Frans Muller? Alles in allem also ein vernichtendes Urteil von Expertenseite, nach dem Motto: Delhaize macht im Augenblick so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann.
Bild: Kristof Van Accom (belga)