Es gibt die Argumente, die die Direktion angibt, wenn sie den drakonischen Umstrukturierungsplan begründen will. Da wäre zum einen die Kostenstruktur bei Delhaize. In der Tat scheinen die Zahlen eine deutliche Sprache zu sprechen. Bei den Harddiscountern wie Aldi oder Lidl ist das Personal fast um ein Viertel billiger.
Zweites Argument der Direktion: das knallharte Marktumfeld - das können auch die Gewerkschaften nur bestätigen. "In Belgien buhlen gleich acht Einzelhandelsunternehmen um die Gunst der Kunden. In Ländern vergleichbarer Größe sind es vielleicht fünf", sagt Delphine Latawiec von der christlichen Angestelltengewerkschaft CNE.
"Der gnadenlose Preiskrieg, der sich daraus ergibt, treibt die Supermarkt-Ketten in die Enge - und da wird das Personal zum wichtigsten Parameter, um die Gewinnmargen und die Dividenden zu optimieren."
Genau da setzen die Gewerkschaften und auch unabhängige Fachleute den Hebel an. Erstens: Delhaize hätte sich gar nicht erst auf den Preiskrieg einlassen dürfen, sind sich viele Leitartikler und Experten einig. Die Kette hatte sich bislang eher als Premium-Anbieter, der Qualität und Auswahl in den Vordergrund stellt, positioniert. Zu glauben, man könne sich mit Harddiscountern anlegen, sei im Fall Delhaize schlichtweg unrealistisch.
Delhaize hält dagegen, dass sich das Kaufverhalten eben verändert habe. Wegen der Krise seien die Verbraucher preisbewusster geworden. Das sei aber nur die halbe Wahrheit, sagen die Gewerkschaften. Delhaize mache schließlich keine Verluste - hier gehe es darum, die Aktionäre zufrieden zu stellen, beklagt Delphine Latawiec von der CNE. "Ziel ist ausschließlich, die Dividenden auf dem bisherigen Niveau zu halten."
Das ist denn auch das zweite Problem: Wenn von Dividenden die Rede ist, dann geht es natürlich um die Aktionäre. Nur wer ist das? Wem gehört Delhaize? So absurd das klingt, aber das wissen die Delhaize-Bosse selbst nicht so genau.
Die Delhaize-Aktionärsstruktur gleicht einem Flickenteppich - die Anteile sind extrem gestreut, der größte Teilhaber verfügt nicht mal über zehn Prozent. Da ist man also enorm abhängig vom Herzschlag der Börsen. Und entsprechend steigt die Nervosität, wenn man das Niveau der Dividenden nicht halten kann.
"In dem Sinne ist der Plan der Direktion ein Offenbarungseid", sagt Myriam Delmée von der sozialistischen Angestelltengewerkschaft SetCa. "Die Delhaize-Direktion sieht, dass die Marktanteile zurückgehen. Man hat aber keinen Plan, wie man darauf reagieren soll - was macht man also? Man entlässt Personal." Menschen als bloße Stellschraube.
Der Punkt: Mit diesem Plan lockt man keinen einzigen neuen Kunden in die Geschäfte. "Im Gegenteil", sagt Myriam Delmée. "Indem man Personal entlässt, wird die Attraktivität der Märkte weiter gesenkt."
Hier droht also ein Teufelskreis. Sofern sich Delhaize nicht schnell auch eine neue Unternehmensstrategie gibt. Genau einen solchen Geschäftsplan fordern denn auch die Gewerkschaften, bevor sie überhaupt mit der Direktion verhandeln wollen.
Die in alle Welt zerstreuten Delhaize-Aktien haben übrigens noch einen weiteren Nebeneffekt: Die belgische Verankerung bei dem Traditionsunternehmen gibt es nicht mehr. Den Familienpatriarchen sind fast anonyme Manager gefolgt, für die Belgien ein Markt wie jeder andere ist. "Da wurde eine Seite umgeblättert", sagt auch Delphine Latawiec von der CNE.
Bild: Eric Lalmand/BELGA