Paukenschlag im Palast. Der ehemalige König Albert und seine Frau Paola suchen offensichtlich die Konfrontation mit dem amtierenden König Philippe. Wie anders ist das Interview zu erklären, das beide den Fernsehsendern RTL-TVI und VTM gewährt haben?
Zunächst ist es höchst unüblich, dass sich ein König in den Medien äußert, und wenn es ein ehemaliger ist. Hinzu kommt, dass König Philippe erst über die Sache in Kenntnis gesetzt wurde, als das Interview schon im Kasten war. Philippe wurde also vor vollendete Tatsachen gestellt.
Die Geschichte mag auf erhebliche Spannungen innerhalb des Königshauses hinweisen. Beobachter wollen nicht ausschließen, dass es sich hier um einen Racheakt handelt. Nach der Veröffentlichung eines Kommuniqués von Königin Paola, in dem sie ihre Sorge um ihren jüngsten Sohn zum Ausdruck brachte, hatte Philippe den Medienberater seines Vaters entlassen. Wie sich herausstellte, blieb Vincent Pardoen aber in Diensten des ehemaligen Staatsoberhaupts.
Auch die Geschichte mit der Dotation sorgte für Aufsehen: Ende letzten Jahren hieß es plötzlich, Albert sei unzufrieden mit seiner "Pension". Über Vertraute hatte Albert in den Medien verbreiten lassen, dass er die Höhe seiner Dotation als "nicht angemessen" empfinde. Es wurde sogar die Frage in den Raum gestellt, dass der Staat vielleicht die Heizkosten im Schloss Belvedere oder die Spritkosten für die Yacht des Königs übernehmen könnte.
Zeitpunkt politisch denkbar ungünstig
Der Zeitpunkt des Interviews ist in der Tat fast schon eine Katastrophe für den Palast. Die Autorität des Königs wird untergraben. Albert setzt sich anscheinend ohne mit der Wimper zu zucken über die Anordnungen seines Sohns und Nachfolgers hinweg. Philippe verlangt, dass jegliche Kommunikation der Königsfamilie über seine Pressestelle läuft.
Ungünstiger könnte der Zeitpunkt gar nicht sein: König Philippe muss gerade im Moment seine Feuerprobe bestehen. Es ist das erste Mal, dass er die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung begleitet. Das Interview soll in der kommenden Woche gesendet werden. Der Inhalt des Interviews ist im Moment nur auszugsweise bekannt. Wenn Albert da politische Einschätzungen zum Besten gegeben hat, dann muss Philippe mit dem Schlimmsten rechnen. Dann bricht vor allem in Flandern ein Sturm der Entrüstung los.
Bart De Wever will eine Koalition ohne die Sozialisten. Das würde bedeuten: eine Mitte-Rechts-Koalition mit den Liberalen und Christdemokraten. Da müssen aber auch die Frankophonen mitspielen. Im Augenblick stehen für De Wever also die MR und vor allem die CDH im Fokus. Wenn die nicht mitmachen, dann kann er seine Pläne vergessen. Anscheinend versucht De Wever vor allem, die CDH auf seine Seite zu bekommen.
Bart De Wever weiß, dass die Ablehnung bei den Frankophonen sehr groß ist. Deswegen will er wahrscheinlich auch in der nächsten Woche schon seinen Abschlussbericht vorlegen, weil er Angst hat, im Kreis zu drehen. Und wenn De Wever erstmal keine potentielle Koalition auf die Reihe kriegt, dann muss es eben ein anderer versuchen. Es heißt, dass der König dann einen Sozialisten mit einer Sondierungsmission beauftragen könnte, wohl dann einen Frankophonen von der PS; die PS ist trotz Verlusten weiter die stärkste Kraft im frankophonen Landesteil.
Die PS führt derzeit Verhandlungen in Brüssel und der Wallonie zur Bildung von Regionalregierungen. Man spürt aber, dass die Sozialisten jetzt erstmal versuchen, Zeit zu gewinnen. Alles wartet auf den 10. Juni, wenn De Wever seinen Abschlussbericht vorlegt. Und je nach dem, was da herauskommt, werden die anderen sich entsprechend positionieren.
Bild: Eric Lalmand (belga)