Gewiss gab es schon zuvor einen Kanzlerbonus, doch dass jetzt gleich drei Anwärter auftraten, ist bezeichnend. Bekommt der Sieger jetzt auch den Pokal? Keineswegs zwingend, das weiß Oliver Paasch in Eupen, das weiß Charles Michel in Namur, und das weiß Bart De Wever in Brüssel gleich doppelt.
In Eupen weiß seinerseits Robert Nelles, dass der erlittene Stimmenverlust seiner Partei seinem Anspruch einen Dämpfer verleiht.
Doch eine Kanzler-oder Präsidentenwahl sollte eine Parlamentswahl eigentlich nicht sein: Sie sollte, wie in den USA, große Parlamentspersönlichkeiten in Mehrheit und Opposition hervorbringen. Dass dies in Belgien inzwischen nicht mehr als das Ziel erscheint, hat viel mit der Sichtbarkeit von Ministern in den Fernsehsendungen zu tun. In der DG ist diese Sichtbarkeit besonders offensichtlich, pikanterweise im Parlament. Nirgendwo auf der Welt dürfte es soviel Parlamentsfernsehen geben wie in der DG. Zudem vermittelt dies ein falsches Bild: Die Arbeit findet vorher statt, die abschließende Verabschiedung eines Dekrets im Plenum ist ein Verkündigungsritual, keine Beschlussfassung. Zudem kommen Initiativen selten von der Parlamentsseite her.
Vielleicht liegt es auch an der großen Sichtbarkeit der Exekutiven, dass überall im Lande die scheidenden Mehrheiten vom Wähler bestätigt wurden. Das gilt für die Di Rupo-Regierung, das gilt sogar in Namur, trotz der herben Verluste von Ecolo.
Diese Partei hat ein für sie fatales Talent, Zeitpunkte falsch einzuschätzen: Ecolo kritisierte schärfstens den Rennkurs von Francorchamps, als dieser noch das Lieblingskind der Massen war. Kassensturz und Aufwachen kamen später. Und diesmal übernahm ein grüner Minister in Namur das Energieressort, als er bereits um die Unbezahlbarkeit der Photovoltaik-Rendite wusste.
Besonderheiten
Besonderheiten gab es sehr wohl beim Wahlausgang: Auch in der DG wählte der Süden anders als der Norden - doch schon immer war es in der DG so, dass Aufsässigkeit aus dem Süden kam.
Und Kuriositäten gab es auch beim Wahlausgang: Wenn es beim bisherigen Ausgang bleibt - was nicht sicher ist - verhagelten die Libertariens Michael Balter den Fraktionsstatus, und retteten der CSP den Spitzenplatz. Wenn es dabei bleibt. Bleibt's nicht dabei, exit die CSP-ProDG-Formel. Doch spekuliert werden soll an dieser Stelle nicht.
Dass bekannte Autofirmen wegen Software-Problemen in der Elektronik Rückruf-Aktionen starten, daran haben wir uns gewöhnt - wenn Programmierungsfehler bei Wahlen passieren, wie bei uns geschehen, trifft es den Demokratiegedanken am Nerv. Das ist kein Ruhmesblatt, auch nicht für die Beraterfirma, von der sich das Ministerium in Brüssel das Programm zertifizieren ließ - voll der zeitgemäßen Consultergläubigkeit zugetan, wobei die Beraterfirma zudem Price Waterhouse Cooper (PWC) heißt. Im schlechtesten Fall drohen in der DG Neuwahlen.
Andere Besonderheiten beim Wahlausgang: In der Wallonie wurde die PS zwar angekratzt, aber nicht richtig angerempelt, geschweige erschüttert von den Neomarxisten der PTB-Go.
Und Bart De Wever müsste eigentlich einen Latein-Vers im Epos um König Pyrrhus suchen, gewann er doch viele viele Stimmen, aber nicht die, die er anvisiert hatte.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie sich König Philippe schlägt. Als freundlich beschreibt Flanderns auflagenstärkste Zeitung die Stimmung bei Empfang und Verabschiedung nach dem kurzen Treffen zwischen ihm und De Wever. Nun, De Wever zum Informator zu berufen, das ist für ihn kein großes Risiko, im Gegenteil. Aber später wird es darum gehen, einen Regierungsbildner zu bestimmen. Dann wird es richtig spannend: Bleibt es bei Mitte links, oder wird es deutlich rechts.
Die jeweiligen Königsmacher, einerseits die CD&V, wenn sie sich gegen die N-VA entscheidet - andererseits die Liberalen von der MR, wenn Didier Reynders der Verlockung der NV-A erliegt, die CD&V und die MR könnten solche Richtungsentscheidungen an den Rand innerparteilicher Zerreißproben bringen.