Gewalt von Polizisten gegen Bürger - in Belgien passiert das am häufigsten in Brüssel. Und dort besonders oft im Polizeibezirk "Hauptstadt Brüssel-Ixelles". Schon vor zwei Jahren war dieser Bezirk einsamer Spitzenreiter in der landesweiten Statistik. Jetzt lässt eine Reihe neuer Anklagen wieder aufhorchen.
Ein Opfer (David) berichtet: "Während der ganzen Fahrt hat er nicht aufgehört, mich zu verprügeln. Ich hatte Handschellen an, wurde mit Fäusten und Knüppeln geschlagen." ER, das ist im Bericht von David ein Polizist aus dem Bezirk Hauptstadt Brüssel-Ixelles.
Aus dem gleichen Bezirk kommt der Polizist, dem der junge Mann namens Arkadi in die Hände gefallen ist. Er erzählt: "Ich war mit Handschellen gefesselt und habe ihn leider danach gefragt, warum er mich festgenommen habe. Daraufhin hat er mir vier Ohrfeigen ins Gesicht gegeben und mich als 'dreckigen Scheiß-Linken' und als 'schwule Ratte' beschimpft."
Anwalt: "Dramatischer Anstieg"
Aussagen wie diese sind zurzeit häufig zu hören aus dem Polizeibezirk Hauptstadt Brüssel-Ixelles. Das bestätigt Anwalt Olivier Stein, Spezialist für Fälle von Polizeigewalt. Er sagt, normalerweise befasse er sich mit mindestens einem Fall im Monat. Aber jetzt stelle er einen dramatischen Anstieg fest. Denn in den vergangenen drei Wochen seien es vier Fälle gewesen, alle aus der Polizeizone Hauptstadt Brüssel-Ixelles.
In dem Polizeibezirk Hauptstadt Brüssel-Ixelles gibt es schon seit Jahren die meisten Beschwerden über Polizeigewalt gegen Bürger. Die jüngsten Vergleichszahlen dazu stammen aus dem Jahr 2012. Veröffentlicht wurden sie von dem Comité P, der staatlichen Kontrollbehörde für die Polizei. Im genannten Hauptstadt-Bezirk gab es damals 226 Beschwerden. Platz zwei in der Statistik nimmt Antwerpen ein mit 157 Fällen, gefolgt von Gent mit 88 Beschwerden.
Polizeisprecher: "Zahl der Einsätze ist sehr hoch"
Der Bezirk Hauptstadt Brüssel-Ixelles ist also einsamer Spitzenreiter. Als Begründung sagt der Sprecher des Bezirks, man dürfe nicht vergessen, dass diese Polizeizone die größte im ganzen Königreich sei. Hier gebe es eine sehr hohe Zahl von Einsätzen. Wenn man beispielsweise 1.000 Einsätze habe, dann sei die Chance eben sehr viel höher, dass mal etwas aus dem Ruder laufe. Wenn man nur zehn Einsätze habe, sei das Risiko viel geringer.
Die Größe des Bezirks als Begründung und eventuell noch die hohe Zahl von gut 700 Demonstrationen pro Jahr: Das alles erklärt noch nicht die Zunahme der Fälle von Polizeigewalt, die Anwalt Stein - wie gehört - "dramatisch" nennt. Für Gründe dafür wird man wohl erst weitere Berichte des Comité P abwarten müssen.
Klar ist aber auch: Die Polizei ist nicht nur Täter, sondern auch selbst Opfer von Gewalt. 70 Prozent der Beamten seien im vergangenen Jahr Opfer von Beleidigungen oder Tätlichkeiten geworden. Das ergab eine Umfrage der flämischen Zeitungen De Standaard und Het Nieuwsblad.
Heute berichten die gleichen Zeitungen über die Forderung der lokalen Polizei, in den nächsten Jahren das Personal deutlich aufzustocken. Mehr als 700 neue Beamte seien nötig, um den Aufgaben gerecht zu werden.
Ob mehr Personal allerdings auch zwangsläufig für mehr Ruhe im Verhältnis von Polizei und Bürgern sorgt, darf bezweifelt werden. Polizisten, denen die Sicherung durchbrennt, wird es weiter geben - genauso wie Bürger, die meinen, sich gegenüber Polizisten alles erlauben zu dürfen. In einem demokratischen Rechtsstaat wie Belgien sind beide Verhaltensweisen zu verurteilen.
Archivbild: Olivier Vin (belga)
Gewalt von Polizisten gegen Bürger.
Diese Beamten sind täglich Opfer von Beleidigungen aller Art und sind es nun satt.