
Nicht nur in Belgien wird am 25. Mai gewählt, sondern in ganz Europa. Zum ersten Mal ziehen die große europäischen mit Spitzenkandidaten ins Rennen. Schulz, Juncker, Keller und Verhofstadt liefern sich seit Beginn der Woche Rededuelle und erläutern ihren Standpunkt zur Zukunft der Europäischen Union. Abseits vom Wahlkampf und ein wenig über dem Ganzen steht Ratspräsident Van Rompuy. Sein Mandat läuft in wenigen Monaten aus. In einem Buch blickt er aber bereits jetzt auf die letzten Jahre an der Spitze der EU zurück und meint: „Die Krise hat Europa besser gemacht“.
„Europa im Sturm“ - so heißt das Buch, in dem Herman Van Rompuy auf die vergangenen Jahre zurückblickt und über die Herausforderungen der EU spricht. Van Rompuy hatte von Beginn an keine leichte Aufgabe. Im November 2009, als er an die Spitze des europäischen Rats berufen wird, zeichnet sich die Eurokrise bereits ab. Längst ist klar, dass nicht nur Banken durch die Finanzkrise ins Wanken geraten, sondern ganze Staaten. Beim ersten Gipfel Van Rompuys im Februar 2010 stand nichts anderes als die Zukunft der gemeinsamen Währung auf dem Spiel. Das Motto: „Schnallt euch an und rettet den Euro“.
"Wir hatten damals schon die griechische Krise vor Augen. Wir wussten, dass das Land kein Geld mehr an den Kapitalmärkten aufnehmen könnte. Griechenland stand am Rande des Staatsbankrotts", sagt Van Rompuy. "Deswegen mussten wir reagieren und die ersten Kredite in Höhe von 110 Milliarden Euro beschließen - im Gegenzug für einen harten Sanierungskurs."
Erschwerend kam hinzu: Es gab kein vorab erstelltes Drehbuch für den Notfall. Der Ratspräsident sagt: „Wir haben ein Rettungsboot gebaut, auf hoher See, mitten im größten Sturm aller Zeiten.“
Wir hatten nichts, meint Van Rompuy. Keinen Rettungsschirm, keine gemeinsame Bankenaufsicht und auch keine Möglichkeit, Haushalte der Mitgliedsstaaten, ihre Wettbewerbsfähigkeit und andere Basisdaten aufeinander abzustimmen. Alle Schutzmittel, worüber die EU heute verfüge, sei während der Krise entstanden. Erstens, um ein Auseinanderfallen der Eurozone zu verhindern und zweitens, um eine Wiederholung dieser Krise unmöglich zu machen.
Die EU war zeitweise so sehr mit der Rettung von Banken, mit Krediten für notleidende Staaten und mit drastischen Sparauflagen beschäftigt, dass sie die Menschen aus den Augen verloren hat. Nicht nur die Krise, auch die drastischen Sparpläne haben zu einem teilweise dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Trotzdem sagt Van Rompuy: „Wir standen mit dem Rücken zur Wand, hatten keine andere Wahl“.
Wenn wir diese Krise nicht so vehement bekämpft hätten, dann hätte nicht nur ein Staat vor dem Bankrott gestanden, sondern fast alle. Ähnlich wie in den 1930er Jahren. Wäre die Eurozone auseinandergebrochen, wäre auch die Europäische Union zerfallen - das schönste Friedensprojekt der letzten Jahrhunderte, meint Van Rompuy.
Der 66-Jährige, der nach dem Ende seines Mandats im November, kein politisches Amt mehr anstrebt, hofft, dass die Menschen langsam, aber sicher dem europäischen Einigungsprozess wieder Vertrauen schenken. Das gehe aber nur durch positive Ergebnisse und die würden zum Teil vorliegen. Griechenland, Spanien, Irland und Portugal ginge es bereits besser. Herman Van Rompuy.
Eines weiß Van Rompuy schon: Der Krise wird er keine Träne nachweinen, seinem Amt aber schon. Er habe die Arbeit als Ratspräsident sehr gerne gemacht.
Bild: Eric Lalmand (belga)
Wo er recht hat, hat er recht, der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
Die EU war ja zeitweise so sehr mit der Rettung von Banken, mit Krediten für notleidende Staaten und mit drastischen Sparauflagen beschäftigt, dass sie die Menschen aus den Augen verloren hat.