Manchmal müssen engagierte Menschen leider erst angegriffen werden, damit die breite Öffentlichkeit auf ihren Kampf aufmerksam wird. Das gilt zum Beispiel für Emmanuel de Merode.
Der Belgier ist Direktor des Virunga-Nationalparks im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Der älteste Nationalpark Afrikas ist vor allem bekannt für die berühmten Berggorillas, die durch den Film "Gorillas im Nebel" weltweit ins Rampenlicht rückten.
Inspiriert war der Film von der Lebensgeschichte der amerikanischen Verhaltensforscherin Dian Fossey, die sich jahrzehntelang der Erforschung und dem Schutz der Berggorillas verschrieben hatte und 1985 ermordet wurde. Es war wohl ihr Engagement, das ihr zum Verhängnis wurde.
Nicht weit von dem Gebiet, wo Dian Fossey gelebt, gearbeitet und den Tod gefunden hat - im selben Nationalpark, aber auf der anderen Seite der Grenze - arbeitet seit Jahren Emmanuel de Merode, einer ihrer geistigen Erben. Man nennt ihn den "Gentleman von Virunga". 1925 hatten die Belgischen Kolonialherren das Reservat geschaffen und erst "Albert-Nationalpark" getauft. Heute erstreckt sich der Park, der mittlerweile Virunga-Nationalpark heißt, über 800.000 Hektar im Grenzgebiet zwischen dem Osten Kongos und Ruanda.
Emmanuel de Merode, Spross eines alten belgischen Adelsgeschlechts, steht dem Park seit 2008 vor. Und jedes Mal, wenn er von seinem Paradies spricht, gerät er ins Schwärmen, wie in einem RTBF-Interview vor einigen Jahren. In keinem Park auf der Welt gebe es eine größere Artenvielfalt. "Wir haben gleich drei Arten von Menschenaffen: die berühmten Berggorillas, dann aber auch Flachland-Gorillas und Schimpansen. Und dann eben die Symboltiere Afrikas: Elefanten und Flusspferde", so Emmanuel de Merode.
Jagd nach Elfenbein ... und Öl
Wie Dian Fossey kämpft de Merode seit Jahren für den Erhalt seines Paradieses. Und Feinde gibt es genug. Spätestens seit dem ruandischen Völkermord kommt die Region im Osten Kongos nicht zur Ruhe. In den Wäldern des Parks halten sich bewaffnete Gruppen versteckt, beklagte de Merode. Diese Leute machten Jagd auf Flusspferde und Elefanten. Sie interessiert das Fleisch, aber natürlich vor allem die Stoßzähne.
In dem Park herrschen mitunter fast schon kriegsähnliche Zustände. Nicht umsonst trägt Emmanuel de Merode eine Uniform - als Direktor des Virunga-Nationalparks ist er zugleich Oberst der kongolesischen Armee. Vor einigen Jahren gab er seinen 750 Parkwächtern den Befehl, bewaffnet gegen Rebellenverbände vorzugehen, die in das Reservat eingedrungen waren. Und immer wieder wird einer seiner Ranger getötet.
Ein unermüdlicher Kampf für den Schutz des Unesco-Weltkulturerbes - doch inzwischen gibt es da noch eine neue Bedrohung. Die britische Erdölgesellschaft SOCO International etwa hat gerade erst von der kongolesischen Regierung die Genehmigung bekommen, in dem Reservat nach Öl zu bohren. Emmanuel de Merode wollte das nicht zulassen. Er recherchierte über SOCO, fand offenbar heraus, dass die Firma nur über Schmiergelder an die Konzession gekommen war und stellte ein Dossier zusammen, das er gerade dem zuständigen Staatsanwalt übergeben hatte.
Schüsse in Brust und Unterleib
Ist er damit einen Schritt zu weit gegangen? Fakt ist, dass de Merode am Dienstag angegriffen worden ist. Sein Jeep wurde beschossen. Der 43-Jährige wurde in der Brust und im Unterleib getroffen. Schwer verletzt wurde er von kongolesischen Soldaten in ein Krankenhaus im ostkongolesischen Goma gebracht. Wie es hieß, ist er dem Tod gerade noch einmal entronnen. Er sei außer Lebensgefahr.
Wer oder was steckt hinter dem Anschlag? Der belgische MR-Kammerabgeordnete François-Xavier de Donnea ist Mitglied des Verwaltungsrates des Virunga-Nationalparks und kennt die Akte ziemlich genau. Und er glaubt nicht an Zufälle: Der Anschlag habe sich ereignet auf dem Rückweg von der Staatsanwaltschaft, wo de Merode sein Dossier über SOCO hinterlegt habe. "Das gibt doch zu denken", sagte De Donnea in der RTBF.
Die EU hat den Anschlag auf Emmanuel de Merode scharf verurteilt. Die Repräsentanz der EU in Kinshasa rief, ebenso wie Außenminister Didier Reynders, die kongolesischen Behörden eindringlich dazu auf, den Vorfall gründlich zu untersuchen.
Familiensache
Dass er gefährlich lebt, das wusste Emmanuel de Merode sicherlich. Gebremst hatte ihn das bislang nicht, vielleicht liegt das auch an den Familienverhältnissen. Verheiratet ist de Merode mit der Paläontologin Louise Leakey, der Enkelin von Louis Leakey, berühmt für seine bahnbrechenden Erkenntnisse über die Ursprünge des Menschen.
Es war Louis Leakey, der in den 60er Jahren Dian Fossey überredete, sich mit Gorillas zu beschäftigen. Beinahe hätte sich ein Kreis geschlossen. Emmanuel de Merode hat glücklicherweise überlebt.
Bild: Michele Sibiloni/AFP