"Taxi-Krieg" steht am Donnerstag auf der Titelseite von La Libre Belgique. Und anders kann man es wohl nicht nennen. Seit einigen Wochen mischt ein neuer Taxi-Anbieter den Markt in der Hauptstadt mächtig auf.
Anfang März ging auf dem Brüsseler Markt ein neuer Player an den Start: die amerkanische Gesellschaft Uber. Uber wurde 2009 in San Francisco gegründet, inzwischen gibt es das Angebot schon in rund 80 Städten weltweit.
Das Prinzip ist einfach: Im Grunde funktioniert Uber wie eine Mitfahrzentrale - dem Smartphone-Zeitalter angepasst. Über eine so genannte App werden die Menschen in Kontakt gebracht. Jemand braucht eine Mitfahrgelegenheit und gibt seinen Standort in die App ein. Ein Autofahrer, sich gerade in der Nähe befindet, wird kontaktiert und holt dann den Fahrgast ab. Abgerechnet wird ähnlich wie beim Taxameter. Auch das übernimmt besagte App, im Zeitalter der Satellitennavigation ist das alles ja kein Problem mehr.
Die Bedingungen, um bei Uber als Fahrer einsteigen zu dürfen: Man muss 21 und mindestens seit drei Jahren im Besitz eines Führerscheins sein. Und der Wagen muss auch versichert sein.
Privatleute kutschieren Privatleute - da war es im Grunde von vornherein klar, dass das die Profis nicht auf sich sitzen lassen würden. Kaum hatte Uber seinen Einstieg in den Markt angekündigt, da gingen die Brüsseler Taxi-Unternehmen auch schon auf die Barrikaden. Das sei unlauterer Wettbewerb, tobte die Branche. Unterstützung gab es dabei von der Brüsseler Mobilitätsministerin Brigitte Grouwels.
Ein Taxi-Unternehmen zog vor Gericht - und verbuchte einen Erfolg: Das Brüsseler Handelsgericht folgte den Klägern und entschied, dass Uber seine Aktivitäten in Brüssel mit sofortiger Wirkung einstellen muss. Ansonsten droht sogar ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro pro Fahrt. Erleichterung bei den Taxi-Unternehmen und auch bei der Ministerin.
Anti-Mobilität
Plötzlich aber gab es einen ziemlich lauten Misston, produziert von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes auf ihrer Internetseite. Sie sei empört über das Urteil des Brüsseler Handelsgerichtes, heißt es da. "Hier geht es doch nur darum, ein Taxi-Kartell zu schützen", wettert die niederländische Kommissarin weiter. Und dann wird sie sogar persönlich: Brigitte Grouwels sei doch eigentlich Mobilitätsministerin, treffender wäre aber "Ministerin für Anti-Mobilität", schreibt Neelie Kroes.
"Das geht jetzt aber definitiv zu weit", reagierte die so Gescholtene in der RTBF. Wenn eine EU-Kommissarin so etwas loslasse, dann könne man eigentlich nur überrascht sein, um nicht zu sagen "empört". Anti-Mobilität, diesen Schuh müsse sie sich nicht anziehen, sagt Brigitte Grouwels. "Wir haben in der ausklingenden Legislaturperiode enorm viel in die Brüsseler Mobilität investiert, etwa in Öffentliche Verkehrsmittel oder auch in das Fahrrad-Angebot Villo".
Außerdem habe man auch daran gearbeitet, um die Taxi-Branche zu modernisieren, sagt Grouwels. Unter anderem sorge man dafür, dass Taxen schneller durch den Verkehr kommen als normale Autos. "Uber steht demgegenüber für genau das, was wir nicht wollen", sagt Grouwels. "Was will die EU-Kommissarin? Dass jetzt ein Anarcho-Betrieb wie Uber einfach so ankommt, um sich dann an keine Regel zu halten? So geht es doch nicht."
Das sehen allerdings nicht alle so. Die Gesellschaft Uber bekommt zum Beispiel Rückendeckung von keiner geringeren als der Mobilitätsschöffin der Stadt Brüssel, der flämischen Liberalen Els Ampe. "Man sollte gar nicht erst versuchen, den Fortschritt aufzuhalten", sagt sie sinngemäß. Im Mittelpunkt sollte der Verbraucher stehen - und entsprechend sollte der Markt offen sein für neue Ideen.
Das Ganze hat sich jedenfalls längst zur Schlammschlacht entwickelt. Und zur Kraftprobe obendrein, denn Uber hat beschlossen, sich erstmal über das Gerichtsurteil hinwegzusetzen. Zwangsgeld hin oder her: Die Gesellschaft macht weiter. Bestärkt fühlt man sich natürlich auch dadurch, dass die EU-Wettbewerbskommissarin persönlich hinter dem Projekt steht. Neelie Kroes ist auf ihrer Webseite jedenfalls mehr als deutlich: "Uber is welcome", prangt da in übergroßen Buchstaben - "Uber ist willkommen".
Bild: Philippe François/BELGA
Mich erstaunt, dass eine Wettbewerbskommissarin der EU dahinter steht. In der EU ist die gewerbsmässige Beförderung von Passagieren mit Fahrzeugen bis 9 Sitzplätzen ausdrücklich von der Liberalisierung ausgenommen (s. EU-Richtlinien über Liberalisierung). Somit ist eine länder-, gemeinden-spezifische Regulierung möglich und auch wichtig. Das Taxigewerbe hat einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen, darf keine zumutbare Fahrt ablehnen. Fahrer und Fahrzeug haben speziellen Vorschriften betreffen Sicherheit, Preisgarantie und Fähigkeit zu erfüllen. Kein "Start-Up" interessiert sich für die gehbehinderte Frau, die vom Altersheim zum Arzt muss, 500 m weit, und bis sie ein- und ausgestiegen ist, dauert es 20 Minuten. Dafür wird den Taxifahrern die längeren Fahrten, mit denen er sich quersubventionieren muss, mit Preiskampf abgezwickt. Dies ist nicht die Idee eines funktionierenden Marktes. Das Stossende an der heutigen Taxisituation ist, dass die bestehenden Taxilizenzen handelbar sind und der Taxifahrer in den seltensten Fällen der Lizenzinhaber ist, aber in einer Schnellbleiche den Taxifahrschein absolviert hat. Somit sind leistungsfremde Kosten für die Verzinsung des Kapitals (Wert der Lizenz) im Taxipreis eingeschlossen. Dies sollte unterbunden werden und jeder Taxifahrer sollte seine eigene, unübertragbare Lizenz mit den entsprechenden Auflagen erwerben und den Leistungsnachweis bei Lizenzverlängerung nachweisen müssen. Dann könnten auch "Schwarze Schafe" mühelos aussortiert werden.