"Also ehrlich, was für eine blöde Frage, lächerlich...". Karel De Gucht war sich in der VRT absolut keines Fehlers bewusst. Der Journalist hatte ihn lediglich gefragt, ob seine Steueraffäre nicht einen Schatten auf den Kongress seiner Partei, der OpenVLD, wirft. Unfug sei das also, sagt Karel De Gucht, nach dem Motto: Besagte Affäre sei doch gar keine. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge gibt es tatsächlich keine Affäre.
Es gibt nur eine unschöne Geschichte. Und die beginnt mit einer Villa in der Toskana. Genauer gesagt mit einer TV-Reportage, die 2010 in der VRT ausgestrahlt wurde. Darin kommt auch besagtes Herrenhaus in Norditalien vor. Beim Anblick des luxuriösen Anwesens gehen bei der Steuerinspektion, der sogenannten ISI, die Alarmglocken. Aus den Steuererklärungen der Familie De Gucht geht nämlich offensichtlich nicht hervor, wie er die Villa finanziert hat. Es stellt sich heraus, dass das Geld aus dem Verkauf von Anteilen stammt. "Der Mehrwert hätte besteuert werden müssen", argumentiert der Fiskus. Karel De Gucht sieht das nicht so. Nach langem Hin und Her landet die Sache vor Gericht.
Doch im Vorfeld überschlagen sich die Ereignisse. Um den Prozess vorzubereiten, verschafft sich die Staatsanwaltschaft Einsicht in die Bankkonten der Familie De Gucht. Der amtierende EU-Kommissar klagt gegen das Vorgehen. In erster Instanz verliert er, das Berufungsgericht von Gent gibt ihm aber letztlich Recht: Der Fiskus hätte demnach also die Konten nicht einsehen dürfen. Resultat: Damit kippt auch der Prozess. Die Frage, ob Karel De Gucht Steuern hinterzogen hat wird damit - zumindest nach dem derzeitigen Stand - juristisch nie geklärt.
Briefe
Damit wäre die Sache eigentlich vom Tisch gewesen. Wenn es da nicht die Briefe gäbe. Die Zeitung De Tijd hatte als erste darüber berichtet. Karel De Gucht soll sich beim Generaldirektor der Steuerinspektion in Brüssel über den Steuerkontrolleur in Gent beschwert haben. Von dem fühlte De Gucht sich demnach anscheinend "gemobbt". "Ja, ich hab' die Briefe geschrieben", gab Karel De Gucht in der VRT zu. Er habe, um genau zu sein, nicht einen Brief geschrieben, sondern gleich drei, sagt De Gucht. Und er habe auch kein Problem damit, dass die Welt davon erfahre. Unterzeichnet hat er die Briefe mit: "Karel De Gucht, Staatsminister". Spätestens da stand die Frage im Raum, ob De Gucht nicht die "Rote Linie" überschritten hatte.
Es kam aber noch dicker: Wie sich herausstellte, hat besagter Generaldirektor der Steuerinspektion, Frank Philipsen, Karel De Gucht Einblick in interne Dokumente gegeben: E-Mails aus der Steuerverwaltung. Die hat De Gucht im Prozess gegen die Steuerfahndung sogar verwendet und dadurch vielleicht den Prozess erst gewonnen. "Kann das sein?" Die Frage stellte sich auch John Crombez, der sp.a-Staatssekretär für Betrugsbekämpfung und verlangte eine interne Untersuchung. "Es dürfe noch nicht den Anschein geben, dass die Steuerfahndung parteiisch ist", begründet er die Forderung.
Diese Untersuchung ist jetzt abgeschlossen. Das Ergebnis fasst Florence Angelici, die Sprecherin des Finanzministeriums zusammen: "Die komplette Kommunikation zwischen Karel De Gucht und der Steuerfahndung ist analysiert worden. Und daraus geht hervor, dass Karel De Gucht zu keinem Zeitpunkt illegale Einsicht in Aktenstücke bekommen hat." Die Aktenstücke, die De Gucht von Generaldirektor Philipsen bekommen hat, laut Gesetz durfte er sie bekommen. Jeder Steuerpflichtige hat das Recht, diese Dokumente einzusehen. Generaldirektor Philipsen habe gemäß dem Gesetz und auch dem Berufsethos gehandelt, sagt die Sprecherin.
Bild: Nicolas Materlinck (belga)
Und die Brüsseler Luxus-Elite wird reich und reicher.
Luxus-Einkommen, Luxus-Pensionen, Luxus-Privilegien, immer mehr Luxus.
Dafür immer mehr Schulden, Millionen zusätzlicher Arbeitsloser, Tausende von Obdachlosen.
Weit davon entfernt, ein 1.Klasse-Freispruch zu sein... : "Die Frage, ob Karel De Gucht Steuern hinterzogen hat wird damit – zumindest nach dem derzeitigen Stand – juristisch nie geklärt."
Meines Wissens nach kann die Anklage noch in Revision gehen (letzter Termin noch vor den Wahlen). Hoffentlich trauen die sich das auch. Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein. Beim Insiderhandel (Bankenkrise) ist er schon einmal davongekommen...