Großer Bahnhof in Brüssel: Spitzenvertreter aus insgesamt 90 Ländern, darunter 60 Staats- und Regierungschefs, werden am Mittwoch und Donnerstag zum EU-Afrika-Gipfel zusammenkommen. An Themen mangelt es nicht. Neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Kontinenten dürfte vor allem die Flüchtlingsproblematik im Vordergrund stehen. Mit - zumindest von europäischer Seite - einer Grundfeststellung: Das krisengeschüttelte Afrika braucht Stabilität.
Afrika, zunächst die nicht enden wollende Tragödie. Zwei Nachrichten, die am Mittwoch in der Zeitung standen, die im Grunde alles zusammenfassen:
Erste Meldung: Die EU hat beschlossen, eine Truppe in die Zentralafrikanische Republik zu entsenden. Knapp 1.000 Soldaten sollen den französischen und afrikanischen Truppen helfen, die Gewalt in dem Land einzudämmen. Immer noch herrscht ein Klima, das an die Vorstufe zum Völkermord erinnert - das Vorzimmer zur Hölle.
Zweite, aktuelle Meldung: In Südafrika sind 6,4 Millionen Menschen HIV-positiv. Das entspricht zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung oder anders ausgedrückt einer von acht Südafrikanern.
Krieg, AIDS, Hungernöte, die Geißeln, die Afrika immer wieder aufs Neue heimsuchen. Immer mehr Menschen wollen dem Elend, der Perspektivlosigkeit entfliehen. Fast täglich versuchen inzwischen Afrikaner, die Grenzanlagen der spanischen Exklave Melilla in Nordafrika zu überwinden. Melilla erlebt im Moment den größten Ansturm von Flüchtlingen. Andere versuchen es übers Meer und bringen sich dabei in Lebensgefahr. Tausende Menschen sind bei der Überfahrt nach Europa zu Tode gekommen. Anders gesagt: Wer die Tagesordnung des EU-Afrika-Gipfels kennen will, der muss im Grunde nur die Zeitung aufschlagen.
In erster Linie sollen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Kontinenten zur Sprache kommen. Das hob auch schon EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy beim vorangegangenen EU-Afrika-Wirtschafts-Forum hervor. Seit 2007 sei das Handelsvolumen zwischen Afrika und Europa um 45 Prozent gestiegen, sagte Van Rompuy vor Unternehmern von beiden Kontinenten. Das sage doch schon alles. So verschieden die Wirtschaftsräume auch sein mögen: wir ergänzen uns, sagt Herman Van Rompuy.
Handel, Wirtschaft, Geschäftsbeziehungen, das sei aber natürlich nicht alles, fügt Van Rompuy hinzu. Wichtig seien daneben auch gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit. Grundvoraussetzung sei natürlich Sicherheit. Krieg und Konflikte, Extremismus und Terrorismus, all das würge nicht nur die Wirtschaft ab, es zerstöre ganze Gesellschaften.
Sicherheit und Stabilität, daran wollen Europäer und Afrikaner gemeinsam arbeiten. Denn das ist Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Entfaltung. Und die wiederum schafft Perspektiven. Perspektiven, die den Flüchtlingen gefehlt haben, als sie an den Zäunen Europas ihr Leben riskierten bzw. es verloren haben.
Für die Brüsseler Polizei ist das Ganze übrigens eine Herausforderung der ganz besonderen Art. 90 Delegationen eskortieren und schützen zu müssen, das kommt nicht jeden Tag vor. Im Augenblick sind anscheinend 400 offizielle Fahrzeuge in Brüssel unterwegs - nebst Motorrad-Eskorte.
Zu allem Überfluss haben die Brüsseler Feuerwehrleute eine spontane Protestkundgebung vom Zaun gebrochen. Sie fordern den Rücktritt ihrer Generaldirektorin. Die Demonstranten sind mit ihren Fahrzeugen angerückt und bombardieren die Amtsgebäude der politisch Verantwortlichen mit Wasser.
Das alles macht deutlich, dass die Verkehrslage in Brüssel derzeit doch recht schwierig ist.
Bild: Georges Gobet (afp)