Man nehme einen Einkaufswagen, der mit einem Querschnitt von allerlei Alltagsprodukten gefüllt ist: Lebensmittel und sonstigen Konsumgütern. Kostet der Inhalt in Belgien 100 Euro, dann zahlt man in Deutschland für dieselben Waren 92 Euro, in den Niederlanden sogar nur 89 Euro.
Die "Preisbeobachtungsstelle" des Wirtschaftsministeriums wollte es genau wissen. Die Preise von 60.000 Produkten wurden verglichen. Das geht von Lebensmitteln über Textilien, Elektrogeräten, Handytarifen bis hin zur Speicherkarte und dem Laptop. Das Resultat dürfte den durchschnittlichen ostbelgischen Grenzgänger kaum verwundern: In Belgien lebt es sich teuer. Das Beispiel mit dem Einkaufswagen gibt schon die Richtung vor: In Belgien liegen die Preise im Durchschnitt um 11,7 Prozent höher als in den Niederlanden, in Deutschland ist das Leben um 6,5 Prozent günstiger.
Wer die Wahl hat, der sollte zum Beispiel keine Tiefkühlkost und auch kein Tierfutter in Belgien kaufen. Hier beläuft sich der Preisunterschied mitunter auf fast 30 Prozent im Vergleich zu den Nachbarländern. Doch gibt es auch Produkte, die in Belgien durchaus günstiger sind. Das gilt zum Beispiel für Parfum und auch für gewisse alkoholische Getränke.
Lohnkostenhandicap
Das hat mit den hohen Lohnkosten in Belgien zu tun, mag man da reflexartig reagieren. Das belgische Lohnkostenhandicap ist im Moment eines der ganz großen Dauerthemen. "Und in der Tat", sagt Peter Van Herreweghe vom Wirtschaftsministerium, "schaut man sich mal das Beispiel Niederlande an, dann stellt man fest, dass dort häufig Studenten an den Supermarktkassen sitzen. Diese Arbeitskräfte sind günstig und obendrein flexibel. Und das drückt die Lohnkosten der holländischen Supermärkte im Vergleich zur belgischen Konkurrenz natürlich ungemein."
Die Lohnkosten, das sei durchaus eine Erklärung für die Preisunterschiede, aber nicht die einzige, sagt Peter Van Herreweghe. Zweiter Punkt: Die Mehrwertsteuer ist in Belgien bekanntermaßen höher, zumindest höher als in Deutschland. Und noch ein Faktor, den man nicht unterschätzen dürfe: Der belgische Markt sei schlicht und einfach kleiner. Resultat: Die belgischen Supermarktketten kaufen insgesamt kleinere Mengen ein. Je kleiner die Warenkontingente, desto geringer der Mengenrabatt und desto höher die Preise.
Lohnkosten, geringe Größe des Marktes, Mehrwertsteuer. Das sind die drei Hauptfaktoren, die auf die Preise in Belgien einwirken. Da spielten wohl durchaus auch noch andere Parameter eine Rolle: vielleicht die Öffnungszeiten, vielleicht auch die Komplexität der belgischen Gesetzgebung. Bei diesen Faktoren sei es aber schwierig, den reellen Einfluss genauer zu beziffern, geben die Fachleute zu.
Ebenfalls etwas paradox ist die Feststellung, dass die Inflationsrate, also die Teuerung, in Belgien im Augenblick niedriger ist als in den wichtigsten Nachbarländern. Die Inflationsrate in Belgien liegt bei 1,2, in Deutschland, Holland und Frankreich liegt dieser Wert bei 1,4. Dafür gebe es mehrere Erklärungen, sagen die Fachleute. Erstens: hier handele es sich um eine Momentaufnahme. Schaut man sich die Entwicklung in den letzten fünf Jahren an, dann relativiere sich da Einiges: eine Zahl: Seit 2008 sind die Preise in Belgien im Durchschnitt um fast zehn Prozent gestiegen. In den Nachbarländern liegt dieser Wert um zwei Prozentpunkte niedriger. Zweitens: die belgische Rechnung wird zum Teil durch externe Faktoren verfälscht. Beispiel Energie. Die Preise für Strom und Gas sind vor allem in den letzten Monaten teilweise spektakulär gesunken. Das hat zum einen mit der Entwicklung an den internationalen Märkten zu tun. Zum anderen hat die Regierung aber auch eben diese Energiepreise per Gesetz gedeckelt.
"Schön und gut", stellen die Experten fest. Das sei aber nur die halbe Miete. Die Energie will ja auch in die Haushalte gebracht werden. Da fallen so genannte Netzkosten an. Beim Gas seien diese Netzkosten noch relativ stabil geblieben, sagt Peter Van Herreweghe. Das gelte aber nicht für den Bereich Elektrizität: Die gesunkenen Strompreise seien durch die deutlich gestiegenen Netzkosten quasi aufgesaugt worden.
Diese Netzkosten sind in Belgien je nach Region unterschiedlich. Nimmt man die Durchschnittswerte, dann wird aber Einiges klar: Die eigentlichen Strompreise sind um fast zehn Prozent gesunken. Für den Endverbraucher hat sich aber quasi nichts verändert, da die Netzkosten fast um den gleichen Wert gestiegen sind. Der Grund liegt auf der Hand: Vor allem Flandern und die Wallonie haben sich mit ihrer Politik der Förderung von Solarstrom verzettelt. Irgendwer muss die Zeche schließlich zahlen.
Archivbild: Coralie Cardon (belga)