Vor allem im sogenannten "Westhoek" - in und um der westflämischen Stadt Ypern - ist der "Große Krieg" wie er in Belgien genannt wird, heute noch immer zum Alltag. Dort gab es unzählige Schützengräben und Schlachtfelder. Regelmäßig werden zum Teil giftige Sprengsätze gefunden - wie am Mittwoch in Passendaele.
Bauer Johan und die Einwohner des Westhoek sind das gewohnt: Immer wieder stoßen sie bei Bauarbeiten auf Sprengsätze aus dem Ersten Weltkrieg. Doch diesmal war alles anders, hatte Bauer Johan von Anfang an das Gefühl, dass es sich hier um mehr als eine Bombe handeln muss. Beim Pflügen seines Feldes war der Landwirt auf Metall gestoßen. Experten vermuten, dass sich noch unzählige weitere giftige Sprengsätze unter der Oberfläche befinden. "Nach wenigen Stunden auf dem Feld hatte ich schon 80 Bomben entdeckt", erklärt Bauer Johan Devriendt im flämischen Fernsehen. "Und was haben Sie dann gedacht?", fragt der Reporter. "Das ist nichts für mich, sondern für den Minenräumdienst der Armee", antwortet der Landwirt.
Das Gelände, so groß wie mehrere Fußballfelder, wurde weiträumig abgesperrt. Ab Mittwoch und vermutlich fast einen Monat lang werden die Experten vom Militär damit beschäftigt sein, die giftigen Sprengsätze zu entschärfen. Allein im vergangenen Jahr sind in Westflandern 115 Tonnen Sprengsätze aus dem Ersten Weltkrieg gefunden und vernichtet worden. Dass man im Westhoek auch heute noch auf so viele Bomben stößt, ist kein Zufall. Fast den ganzen Krieg über haben sich die Soldaten rund um Ypern in den Schützengräben gegenübergestanden. Die Deutschen setzten damals zum ersten Mal Giftgas ein. Genauer gesagt Senfgas, das bis heute auch den Namen "Yperit" trägt - wegen des weltweit ersten Einsatzes auf den Schlachtfeldern von Ypern. Senfgas war eine gefürchtete Waffe, richtete entsetzliche und entstellende Verletzungen an.
Deswegen ist die Bergung auch heute noch gefährlich. Sollte etwas schief laufen, müssen sogar einige Häuser in der näheren Umgebung evakuiert werden. Um Katastrophentouristen fernzuhalten und Unfälle vorzubeugen, fordert Zonnebekes Bürgermeister Dirk Cardoen, dass die Polizei gegen jeden vorgeht, der die weiträumige Sicherheitszone unaufgefordert betritt. "Die Gefahr, die von Senfgas ausgeht ist so groß, dass wir kein Risiko eingehen wollen", sagt der Bürgermeister.
Nicht nur an Land sind die Bomben aus dem Ersten Weltkrieg auch heute noch eine Gefahr, auch unter Wasser. In einer Sandbank in der Nordsee vor Knokke sind nach Kriegsende mindestens 30.000 Tonnen Giftgas-Bomben versenkt worden. Seit einigen Jahren lässt die Regierung den Zustand der Sprengsätze durch Taucher jährlich überprüfen. Bislang wurde kein Leck gefunden, allerdings ist das nur eine Frage der Zeit. Die Sprengsätze bergen wäre viel zu gefährlich, sagen Experten. Und so hinterlässt der Erste Weltkrieg auch knapp 100 Jahre nach Ausbruch noch gefährliche Spuren in Belgien.
Bild: VRT