"Et alors?", "Wo liegt denn das Problem?", fragt sich Hendrik Vuye in der Zeitung De Standaard. Sicher! Er sei Kandidat auf einer N-VA-Liste. Und, ja, er unterrichte Verfassungsrecht an der Uni Namur, werde demnach von der Französischen Gemeinschaft bezahlt. "Et alors?", "Na und?".
Ende des Zitats - und mehr als zitieren kann man den Professor nicht. Hendrik Vuye will zunächst keine Interviews mehr geben, erst Recht nicht der frankophonen Presse. Das sagte er jedenfalls den Kollegen von Le Soir, bevor er das Gespräch abrupt beendete und auflegte.
Seit Hendrik Vuye seine Kandidatur auf einer N-VA-Liste angekündigt hat, ist er im Auge des Orkans. Die Zeitung Le Soir widmete ihm am Freitag einen längeren Artikel. Sie packt dabei eine Reihe von Aussagen aus, die Vuye im Zusammenhang mit gemeinschaftspolitischen Themen gemacht hat. Auszug: "Die Geldtransfers von Flandern in die Wallonie dienen nur dazu, den PS-Staat am Leben zu erhalten".
Die Wochenzeitschrift Le Vif/L'Express ist ihrerseits auf Aussagen von Vuye auf der Webseite der VVB, der Vlaamse Volksbeweging gestoßen. Die VVB gilt als Organisation flämisch-nationalistischer Hardliner.
Zwischen den Zeilen steht da immer die Frage im Raum, ob das zusammenpasst: ein Professor für Verfassungsrecht an einer frankophonen Uni, der sich für die Thesen des flämischen Nationalismus stark macht. In den RTBF-Fernsehnachrichten sprach eine Journalistin die Frage dann aus.
Sie richtete sich an Yves Poullet, den Rektor der Uni Namur. Seine Antwort war dann aber sehr salomonisch. Eine Universität sei ein Garant für die Freiheit, insbesondere die Meinungsfreiheit, sagte Yves Poullet in der RTBF. Und was die Zugehörigkeit von Hendrik Vuye zur N-VA angeht: die N-VA sei eine demokratische Partei.
In Flandern kann man die Diskussion nicht so ganz nachvollziehen. Vuye sei doch längst nicht der einzige Universitätsdozent, der sich politisch engagiere. Föderalminister wie Johan Vande Lanotte oder Didier Reynders geben Unterricht an Hochschulen. Vande Lanotte übrigens im Fach "öffentliches Recht" an der Uni Gent. Ein Kollege von Hendrik Vuye, der Verfassungsrechtler Francis Delperée, hat eine Zeitlang weiter als Professor gearbeitet, obgleich er schon Senator für die CDH war. Oder Paul Magnette, der ebenfalls eine Hochschulkarriere gemacht hatte, bevor er sich für die PS engagierte. Da sei aber niemand auf den Gedanken gekommen, den ULB-Rektoren zu interviewen, wie er denn zu Magnette stehe, beklagt Vuye in De Standaard.
Die Frankophonen sehen hier aber einen entscheidenden Unterschied: Hendrik Vuye soll den Studenten die Rechtsgrundlage eines Staates erklären, den er, bzw. seine Partei abschaffen will. Das sei zumindest paradox, heißt es da.
Die Realität spreche da eine deutliche Sprache, sagt der Namurer Rektor Yves Poullet. Die Studenten und auch der Dekan der Jura-Fakultät sind übereinstimmend der Ansicht, dass Hendrik Vuye seinen Unterricht völlig neutral vermittele. Aus akademischer Sicht sei das das einzige, was zählt.
Was nicht heißt, dass für die Uni Namur die Welt rosarot und himmelblau wäre. Das räumt auch Rektor Yves Poullet ein. Die Universität Namur sehe sich als eine akademische Talentschmiede, die sich ganz klar in die Gesellschaft einbette, die sie umgibt, also die Wallonische Region und die Französische Gemeinschaft. Die Nachricht, dass Hendrik Vuye für die N-VA kandidiert, sorge denn auch vor diesem Hintergrund für ein gewisses Unbehagen.
Diese Geschichte ist eigentlich nur eine Illustration für die grundlegend unterschiedliche Wahrnehmung der N-VA je nach Seite der Sprachgrenze. Die Flamen betrachten sie als eine Partei wie jede andere, die man eben mag oder nicht mag. Die Frankophonen neigen hingegen dazu, die N-VA und ihren Vorsitzenden Bart De Wever grundsätzlich zu verteufeln.
Die Uni Namur hat da -wohl nicht ganz zu Unrecht- den Eindruck, ungewollt zwischen Hammer und Amboss geraten zu sein.
Bild: Nicolas Lambert (belga)