IT-Fachleute warnen schon seit Langem vor einem "Cyber-Pearl-Harbor". Auch in Belgien haben die Geheimdienste und der parlamentarische Kontrollausschuss, das so genannte Komitee R, die Regierung immer wieder vor der Möglichkeit einer Cyberattacke gewarnt.
Lange Zeit vergeblich. Das Problem sei, dass diese Gefahr in Belgien bislang noch nicht so wirklich Ernst genommen wurde, sind sich Fachleute einig. Immerhin hatte sich die Regierung 2011 im Koalitionsabkommen dazu verpflichtet "eine Strategie zur Sicherung der Computersysteme" auszuarbeiten. Und das, womit Experten kaum noch gerechnet hatten, ist jetzt doch noch eingetreten: Premierminister Elio Di Rupo stellte im zuständigen Parlamentsausschuss eben besagte Strategie tatsächlich vor.
Demnach soll ein Sonderstab eingerichtet werden, der sich speziell mit der Sicherung der Netzwerke befassen soll. Dieses "Belgische Zentrum für Cybersicherheit" soll quasi eine "neue" Behörde sein, strukturiert allerdings wie eher ein Krisenstab: bestehen soll es lediglich aus rund zehn Leuten, Experten in den verschiedensten Bereichen.
Zehn Experten, zehn Millionen
Dieses Zentrum für Cybersicherheit soll dann quasi als Schnittstelle fungieren zwischen den verschiedenen zuständigen Stellen von Polizei und Geheimdiensten. Bislang wurden dafür zehn Millionen Euro freigemacht. Zehn Leute, zehn Millionen Euro - das ist vielleicht doch ein bisschen dürftig, kritisierten viele Abgeordnete aus der Opposition und sogar aus der Mehrheit.
"Ich hätte da durchaus mehr vom Premierminister erwartet", sagte etwa der MR-Parlamentarier Denis Ducarme in der RTBF. Ähnliche Töne vom CDH-Abgeordneten Georges Dallemagne. "Zu wenig, zu spät", so fasste er sein Unbehagen zusammen. "Dabei geht es hier um fundamentale Fragen, die uns alle betreffen: die Unternehmen, die staatlichen Stellen und auch die Bürger."
"Woher nehmen, wenn nicht stehlen?" entgegnet der Premierminister. Er könne ja die Kritik in Teilen nachvollziehen. Die komme aber von Leuten, die eben nicht die Verantwortung für einen Staatshaushalt zu tragen haben. Und wenn man auf 100.000 Euro genau planen müsse, dann seien zehn Millionen doch schonmal ein erster Schritt, sagte Elio Di Rupo.
Und der kommt nach den Angriffen auf Belgacom, das Außenministerium und den Computerexperten Jean-Jacques Quisquater nicht zu früh. Das neue Zentrum für Cybersicherheit wird nach Informationen von Le Soir im Regierungsviertel angesiedelt. Und sein Standort - zwischen dem Krisenstab des Innenministeriums und der Koordinierungsstelle für die Analyse der Terrorbedrohung OCAM - symbolisiert auch die Aufgabe - eine "Schnittstelle" eben.
Ziele von Cyberangriffen: Erdöl-Konzerne und Atomanlagen
In regelmäßigen Abständen werden Angriffe auf Computernetzwerke bekannt. Mal sind amerikanische Energiekonzerne im Visier, mal die Computer von Erdölgesellschaften im Mittleren Osten. Ziel der Computersaboteure ist etwa, den Betrieb der Firmen lahmzulegen. Und je strategischer das Unternehmen, desto schlimmer die Auswirkungen.
Käme etwa die Ölförderung oder -lieferung des größten saudi-arabischen Erdölkonzerns zwischenzeitlich zum Erliegen, dann hätte das mitunter spektakuläre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft - und sei es am Ende nur psychologisch. Ganz zu schweigen eben von einem Atomkraftwerk. Denkbar ist auch, dass über die Manipulation von Steuerprogrammen Unfälle im Schienen- oder gar Flugverkehr absichtlich provoziert werden.
Bestes Beispiel, das so etwas funktionieren kann, ist Stuxnet. Stuxnet ist der Name einer Schadprogramms, das angeblich von den USA zusammen mit Israel entwickelt wurde. Die Software wurde in das Computernetzwerk einer iranischen Atomforschungsanlage eingeschleust. Die Folgen waren spektakulär: Das Programm manipulierte die Steuerung von Uranzentrifugen. Resultat: allein durch dieses Schadprogramm wurden hunderte dieser Zentrifugen zerstört. Das mutmaßliche iranische Atomprogramm wurde dadurch empfindlich zurückgeworfen.
Archivbild: Laurie Dieffembacq/BELGA