Es ist das wohl am besten gehütete offene Geheimnis des Landes: in Kleine Brogel lagern Atombomben. Das weiß man zwar schon seit Jahren, Parlamentarier sprechen das Thema auch häufig genug an, eine offizielle Bestätigung gibt es aber nicht.
An der Tatsache an sich bestehe absolut kein Zweifel, sagt Hans Kristensen, der zuständige Direktor innerhalb der "Federation of American Scientists, zu Deutsch: "Bund amerikanischer Wissenschaftler".
Kristensen beobachtet die Verbreitung von Kernwaffen ganz genau. Und er ist absolut sicher: auf dem NATO-Stützpunkt in Kleine Brogel lagern Atomwaffen. Das erklärte er im zuständigen Kammerausschuss und wiederholte es später noch einmal in der RTBF: "Wir reden mit Leuten von der US-Armee, auch von der NATO. Die werden uns zwar nie die Info bestätigen, würden einem aber zu verstehen geben, wenn man falsch liegt. Es gibt auch Dokumente, die durchgesickert sind. All das lässt nur eine Schluss zu: in Kleine Brogel liegen nukleare Sprengköpfe."
Luftbilder bestätigten diese Annahme, sagt Kristensen. Man könne ganz klar Gebäude erkennen, die ausdrücklich für die Lagerung von Atombomben vorgesehen sind. Weiteres, absolut untrügerisches Zeichen: in Kleine Brogel sind 130 US-Soldaten stationiert. Diese Einheit wäre nicht da, wenn es dort keine Kernwaffen gäbe, so Kristensen.
20 Bomben sind es nach Erkenntnissen des Bunds amerikanischer Wissenschaftler, die also in Kleine Brogel lagern. Diese Zahl sei schlicht und einfach Standard in den vier europäischen Atomwaffenstützpunkten der NATO, sagt Hans Kristensen.
Atombomben sollen modernisiert werden
Diese Bomben sollen jetzt modernisiert werden. Auch dafür gibt es Beweise, sagt Kristensen. Man müsse nur in die Haushaltsberichte im US-Kongress schauen. Da stehe nämlich drin, wie viel Geld für diese Maßnahme vorgesehen ist.
Diese Modernisierung bringt gleich mehrere Probleme mit sich. Erstens: die Bomben müssen dafür in die USA gebracht werden. Ein Lufttransport birgt jedoch immer ein Restrisiko.
Hinzu kommt aber: die neuen Bomben können nicht von gleich welchem Kampfflugzeug transportiert werden. Und das wird dann zum Problem, wenn die Belgischen Luftstreitkräfte ihre Kampfjet-Flotte erneuern muss. Das hat die Zeitung De Standaard recherchiert. Die neuen Flugzeuge müssen also auf die Kernwaffen ausgelegt sein, sagte der Standaard-Journalist Marc Reynebau in der VRT.
Wenn es darum geht, die veralteten F-16 zu ersetzen, da gebe es da nicht so furchtbar viele Möglichkeiten, sagt Reynebau. Der einzige Kampfbomber, der für Missionen mit Kernwaffen geeignet ist, das sei der F-35.
Muss Belgien neue Kampfbomber kaufen?
Belgien hat im Grunde nicht wirklich viele Optionen, sagt Reynebau. Genauer gesagt: gar keine.
Das sei also ein ziemlich enges Korsett, in das sich Belgien da gesteckt habe, sagt Reynebau. Wenn man an den Atombomben festhalte, dann kann man im Grunde nur F-35-Flugzeuge kaufen. Und die seien sündhaft teuer, sagt Reynebau. Mit 5 Milliarden Euro müsse man da rechnen.
Heißt das also, dass Belgien an den Atombomben in Kleine Brogel festhält? Dazu gibt es dann natürlich keine Information, weil es die Bomben ja offiziell gar nicht gibt.
Doch warum eigentliche diese Geheimniskrämerei? "Das ist ursprünglich ein Relikt aus dem Kalten Krieg", sagt Kristensen. Man habe die Kultur der Geheimhaltung aber beibehalten, weil es politisch interessant ist. So gibt es keine öffentliche Debatte über Kernwaffen, man müsse keine Fragen beantworten, das Thema finde einfach nicht statt.
Bild: Yorick Jansens (belga)