Politikwissenschaftler sprechen durchaus von einer Premiere. Erstmals haben sich die politischen Gruppierungen an der extremlinken Seite des politischen Spektrums zusammenraufen können: Die PTB - Partei der Arbeit -, die LCR - die Kommunistische revolutionäre Liga - und die PC - die Kommunistische Partei. Diese Dunkelroten waren sich bislang nicht wirklich grün. Die Unterschiede lagen in den Schattierungen des Marxismus. Der eine war eher maoistisch ausgelegt, der andere leninistisch und der dritte trotzkistisch. Jetzt hat man sich offensichtlich auf das berufen, was alle verbindet: die anti-kapitalistische Grundhaltung, die - wie es heißtb - Verteidigung der Ausgebeuteten.
PTB-GO: Das GO steht für "Gauche d'ouverture", eine Linke, die sich nach außen hin öffnet. Und diese "Öffnung" bezieht sich in erster Linie auf die Gewerkschaften. Vor allem innerhalb der sozialistischen FGTB rumort es schon seit längerer Zeit. Die roten Gewerkschafter haben es ihrer PS und ihrem Premierminister Elio Di Rupo nicht verziehen, dass ausgerechnet sie daran beteiligt waren, als die Sparschraube in diesem Land so angezogen wurden.
Der Sirenengesang der extremen Linken scheint bei der FGTB denn auch so manchen zu bezirzen. Angefangen beim Präsidenten der FGTB-Charleroi, Carlo Briscolini. Endlich haben es die linken Parteien geschafft, ihre Gegensätze zu vergessen und sich zusammenzuschließen. "Das ist doch schon mal was. Das heißt natürlich nicht, dass wir als Gewerkschaft sofort auf den Zug aufspringen. Wir werden die PTB-GO beim nächsten 1. Mai aber auf dem Radar haben." Der Präsident der FGBT-Charleroi, der immerhin 22.000 Mitglieder angehören, macht aus seinen Sympathien für die neue Linkspartei keinen Hehl. Es fehle aber noch eine Botschaft, mit der die Basis etwas anfangen könne. Bislang seien die marxistischen Parteien immer allzu intellektuell daher gekommen. "Jetzt brauchen wir ein Signal der Hoffnung für alle Arbeiter und Leistungsempfänger", so Carlo Briscolini.
Bekannte Persönlichkeiten als Unterstützer
Carlo Briscolini ist nicht alleine. Die PTB-GO hat gleich eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten als Unterstützer gewinnen können. Darunter zum Beispiel Josy Dubié, der eine Zeitlang für ECOLO im Senat saß. Darunter ist auch Irène Pètre, die noch vor einiger Zeit das Gesicht der christlichen Angestelltengewerkschaft CNE war. Unter den Unterstützern ist auch die bekannte Historikerin Anne Morelli, die an der Freien Universität Brüssel doziert.
"Dass die Extreme Linke ihre Fehden begraben hat, ist durchaus bemerkenswert", sagte Jean Faniel vom Politik-Forschungszentrum CRISP in der RTBF. Erstmals seien die vier extremlinken historischen Parteien unter einem Dach: PTB, PC und LCR. Die PSL, die trotzkistische Parti socialiste de lutte, hat dazu aufgerufen, für PTB-GO zu stimmen.
"Vor allem die PTB habe aus ihren Fehlern gelernt", erklärt der Politikwissenschaftler. Seit einiger Zeit schon habe man den reinen linken Dogmatismus abgelegt. Jetzt versuche man, die Menschen wirklich mit konkreten Botschaften zu erreichen. Reicht das, um den traditionellen linken Parteien empfindliche Nadelstiche zu versetzen? "Nun", so sagt Jean Faniel: "Was die Botschaft angeht, so wird es interessant sein, wie sich PS und ECOLO positionieren: die Botschaft ist nämlich doch eine ganz andere." Ob Sozialisten und Grüne auch mit Stimmenverlusten rechnen müssen, das allerdings sei nicht so klar. "Es sei nämlich so", führt Faniel aus: "Die Kommunalwahlen von 2012 erlauben interessante Schlussfolgerungen. In Lüttich oder Herstal beispielsweise habe man feststellen können, dass die PTB zwar stark zugelegt habe, dies aber nicht auf Kosten von PS oder ECOLO."
Also: eine neue Kraft im Linken Spektrum kann - so paradox es klingen mag - in gewissen Fällen den Kuchen größer machen. Möglich ist, dass die PTB vor allem bei Leuten, die vorher weiß gewählt haben, Erfolg hat.
Viel spannender ist, wie sich die FGTB auf Dauer verhält. Die Sektion Charleroi, die die PTB-GO offen unterstützt, das könnte nur der Anfang sein. Es ist in jedem Fall das erste Mal, dass eine FGTB-Regionalsektion offen eine andere Partei als die PS unterstützt. Vor einigen Tagen noch hatte die Generalsekretärin der föderalen FGTB, Anne Demelenne, vor einer möglichen Spaltung der Linken gewarnt.
Bei ECOLO und auch bei der PS gibt man sich dennoch demonstrativ gelassen. Die PTB bleibe ein hermetisch verschlossener, zentralistisch geführter Verein, heißt es bei ECOLO. Das Wort "undemokratisch" vermeidet man offensichtlich. PS-Präsident Paul Magnette sieht seinerseits keinen Grund zur Beunruhigung: "Die radikale Linke habe es immer gegeben", sagt Magnette in La Libre Belgique. Ob sie diesmal durchstarten kann, nun, dafür sehe er keine Anzeichen.
Bild: Olivier Vin (belga)
Seit wann ist Ecolo links?