"Aus 6 mach' 11". Die Geschichte klingt auf den ersten Blick fast unglaublich. Bislang war die Gesamtschuld der Wallonie auf sechs Milliarden beziffert worden. Der Rechnungshof kommt jetzt aber zu einem doch etwas anderen Ergebnis: Offiziell beläuft sich die Schuld der Wallonie demnach auf 11,2 Milliarden. Der Herr der wallonischen Zahlen, das ist der CDH-Haushaltsminister André Antoine. Klar, dass der sich seit einigen Tagen die übelsten Beschimpfungen anhören muss.
Dabei genügt es, einmal genauer hinzuschauen. Es ist jedenfalls nicht so, als habe sich die Situation quasi über Nacht dramatisch verschlimmert. Glaubt man Fachleuten, dann gibt es für all das eine rein buchhalterische Erklärung: Der Rechnungshof hat seine Buchungsmethode geändert. Das heißt, dass jetzt Beträge bei den Passiva verbucht werden, die bislang in dieser Kolonne nicht auftauchten.
Der Rechnungshof praktiziere da plötzlich genau das Gegenteil dessen, was er bislang gepredigt habe, verteidigte sich André Antoine. Beispiel Zuschüsse an Gemeindeeinrichtungen: Die seien bislang den Kommunen angerechnet worden, nicht der Region.
Zahlen werden anders präsentiert
Fakt sei jedenfalls, so betonte der ECOLO-Regionalminister Jean-Marc Nollet am Dienstagmorgen in der RTBF: "Die Zahlen haben sich nicht verändert, sie werden nur anders präsentiert". Grund seien neue buchhalterische Regeln, die die EU auferlege. Also: die wallonische Schuld ist jetzt nominell fast doppelt so hoch, aber das ändert nichts. Das verstehen wohl nur Fachleute...
Im Übrigen ging es bei der Aussprache im zuständigen Ausschuss des Wallonischen Parlaments gar nicht um die Schuld als solche, sondern das ganze Drumherum. Es beginnt mit einem Knaller: Die oppositionelle MR zitiert aus einem Bericht des Rechnungshofes, nennt dabei besagte Zahl, elf Milliarden. Nur: Die anderen Parteien, selbst Minister André Antoine, wollen nichts davon wissen. "Unverschämtheit", tobt André Antoine: "Hier gibt es ein Leck, der Rechnungshof hat womöglich bewusst einer Partei die Info zugesteckt. Dabei sollte das Gremium doch strikt neutral sein."
Der Rechnungshof reagiert zunächst mit Unverständnis und Zurückhaltung. Im zuständigen Ausschuss listet eine Mitarbeiterin haarfein alle Kontakte auf, die der Rechnungshof mit der wallonischen Verwaltung und der Regierung gehabt hat. "Wir haben den vollständigen Bericht am 20. Dezember um 10:28 Uhr übermittelt".
Empörung bei der MR: "Das sei wohl das erste Mal überhaupt", sagt MR-Fraktionschef Willy Borsus, "dass der Rechnungshof und ein Minister sich so klar widersprechen". Die MR beantragt und erreicht sogar eine Unterbrechung der Sitzung.
Ohne es klar auszusprechen, bleibt André Antoine bei seiner Kritik an der Haltung des Rechnungshofes. Am Ende lässt er sich aber doch zu einem Bekenntnis hinreißen: "Wir werden künftig unsere Haushaltszahlen gemäß der neuen EU-Regeln veröffentlichen".
Sonderausschuss eingesetzt
Es war eine vierstündige Sitzung, die vor allem eins gezeigt hat: Der Wahlkampf hat begonnen und die Nerven liegen blank. Und diese Streithähne sollen sich an anderer Stelle dann doch wieder zusammenraufen. Denn es ist so: Das Wallonische Parlament hat jetzt einen Sonderausschuss eingesetzt, der die Umsetzung der Sechsten Staatsreform vorbereiten soll. "Besser spät, als nie", wäre man geneigt zu sagen. Und Parlamentspräsident Patrick Dupriez kann diese Kritik verstehen: "Ja, es wird Zeit".
Die vier Fraktionen, PS, CDH und ECOLO aus der Mehrheit und die oppositionelle MR, sollen diese Arbeit möglichst geschlossen angehen. Und Pierre-Yves Jeholet von der MR will die Arbeit auch in diesem Geist angehen: "Wir haben alle Interesse daran, dass die Wallonie ihre neuen Zuständigkeiten möglichst effizient ausübt".
Effizienz, das ist auch für den wallonischen PS-Ministerpräsidenten Rudi Demotte das Zauberwort: "Wir müssen dafür sorgen, dass wir schnell reiche Früchte ernten".
Apropos ernten: Ebenfalls jetzt haben sich die Bauernverbände mit dem zuständigen Wallonischen Agrarminister Carlo Di Antonio (CDH) auf einen neuen Verteilerschlüssel für die EU-Agrarbeihilfen geeinigt. Hier geht es um zwei Milliarden Euro für den Zeitraum zwischen 2014 und 2020. Ohne jetzt in die Details zu gehen: Auch hier muss man künftig mit weniger auskommen. Die Gelder sollen vor diesem Hintergrund aber gleicher verteilt werden. "Die Betriebe müssten leistungsfähiger werden und selbst Mehrwert produzieren", fasst Di Antonio die Leitlinien zusammen.
Die Bauernverbände, darunter auch der ostbelgische Bauernbund, müssen das Abkommen noch ihrer jeweiligen Basis unterbreiten.
Bild: Bruno Fahy (belga)