Das Parlament hat am Donnerstagabend die Sechste Staatsreform besiegelt. In der Kammer stand die Übertragung von Zuständigkeiten an die Gemeinschaften und Regionen an, der Senat hat sich mit dem neuen Finanzierungsgesetz befasst.
Mit großer Mehrheit sind die Vorhaben angenommen worden - nur die N-VA und der Vlaams Belang stimmten dagegen. Die anderen Parteien haben der größten Reform in der Geschichte des Landes zugestimmt. Um kurz vor 20:00 Uhr konnte Kammerpräsident André Flahaut verkünden, dass die Staatsreform angenommen worden ist.
Kindergeld, Seniorenpolitik und Arbeitsmarkt
Ein neues Belgien ist aus der Taufe gehoben worden - darüber sind sich die Beobachter einig. Es ist die größte Staatsreform, die das Land jemals gesehen hat. Gemeinschaften und Regionen bekommen deutlich mehr Zuständigkeiten - mit einem Gesamtumfang von knapp 20 Milliarden Euro im Jahr.
Sichtbarster Aspekt: Das Kindergeld wird an die Teilstaaten übertragen, das gilt auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Außerdem werden große Teile der Arbeitsmarktpolitik an die Regionen des Landes übergeben. Die Zuständigkeit für die Seniorenpolitik wird ebenfalls bei den Gemeinschaften angesiedelt.
Die Teilstaaten erlangen zudem ein nicht unerhebliches Maß an Steuerautonomie, können also selbst Einfluss auf die Steuerlast nehmen. Jetzt steht noch die konkrete Ausarbeitung an.
Auf die Sechste Staatsreform hatten sich die föderalen Mehrheitsparteien und die Grünen nach der längsten politischen Krise Belgiens Mitte 2011 verständigt. Sie beinhaltet auch, dass der Senat in seiner heutigen Form abgeschafft wird. Daraus soll künftig eine Art Länderkammer werden.
Premierminister begrüßt Staatsreform
Premierminister Elio Di Rupo hat sich erfreut über die Verabschiedung der sechsten Etappe der Staatsreform geäußert. Er sprach von einem "historischen Moment". Durch die Staatsreform verlagere sich ab 2014 der Schwerpunkt des Staates vom Föderalstaat auf die Gemeinschaften und Regionen, ließ Elio Di Rupo am Freitag mitteilen.
Der neuerliche Umbau des Staates stelle auch eine Herausforderung für die föderale Ebene dar, die sich jetzt besser auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren könne, hieß es weiter.
belga/vrt/alk/jp/rkr - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)