Es soll die "kopernikanische Revolution" werden. Der politische Schwerpunkt wird sich vom Föderalstaat weg hin zu den Regionen und Gemeinschaften verlagern.
Mit einer Mehrheit von 51 Stimmen gegen 17 Stimmen von NVA und Vlaams Belang hat der Senat am Donnerstagaqbend der Sechsten Staatsreform zugestimmt. Vor der Sitzung waren die Mitarbeiter des Senats über ihre berufliche Zukunft informiert worden. Der Senat beschäftigt derzeit 300 Beamte, die nach der Reform nur noch zum Teil von dem Senat als Kammer der Gliedstaaten weiterbeschäftigt werden können. Über den genauen Umfang des künftigen Stellenplans gibt es noch keine Angaben. Von den derzeit 13 administrativen Diensten werden voraussichtlich aber nur fünf weiterbestehen.
Für DG-Senator Louis Siquet und für die PFF-Kammerabgeordnete Kattrin Jadin bedeutet die Sechste Staatsreform gute Nachrichten: Erleichterung bei der Abgeordneten Kattrin Jadin. Die Sechste Staatsreform ist ein wirklich fetter Brocken, institutionelle Quantenphysik. Auch DG-Senator Louis Siquet ist froh, dass die Arbeit sich jetzt dem Ende zuneigt. Es ist das Ende eines langen Weges. Und eine Erfolgsgarantie gab es nicht. Zwar hatten die Parteien nach über 500 Tagen endlich ein Abkommen. Aber, wer wollte schon ausschließen, dass da nicht der eine oder andere noch kalte Füße bekommen könnte.
In der Kammer stand am Donnerstag zunächst das Kapitel "Kompetenzübertragungen" auf dem Programm. Zuständigkeiten im Gegenwert von über 17 Milliarden Euro werden an die Gemeinschaften und Regionen übertragen.
Sichtbarste Neuerung für die DG: Das Kindergeld wird künftig aus Eupen ausbezahlt. "Das", so sagen Siquet und Jadin im Chor, "das nehmen wir natürlich gerne an, wohlwissend, dass die DG das nicht gefordert hat". Beide haben aber Bedenken prinzipieller Natur. Für die liberale Parlamentarierin Kattrin Jadin ist das Gleichheitsprinzip in Gefahr. Der Sozialist Louis Siquet befürchtet seinerseits, dass das der Anfang vom Ende einer föderalen Sozialen Sicherheit ist.
Das war es fast schon in Punkto neue Zuständigkeiten für die DG. Zwar werden auch große Teile der Arbeitsmarkt-Politik an die Teilstaaten übertragen, die gehen aber an die Regionen. Aus Sicht der DG ist das die Wallonie. "Nicht normal", findet Kattrin Jadin. "Die DG übt ja schon Zuständigkeiten im Bereich der Beschäftigung aus".
Da werden also die Regierungen der DG und der Wallonischen Region erst einmal wieder verhandeln müssen. Im Augenblick laufen Gespräche über eine neue Übertragung von Zuständigkeiten von Namur nach Eupen.
Louis Siquet und seine Senatorenkollegen waren ihrerseits in der unglücklichen Situation, sich quasi selbst abschaffen zu müssen. Den Senat wird es ja in seiner heutigen Form nicht mehr geben.
Und dann gab es für die Deutschsprachige Gemeinschaft auch noch ein Kapitel in der Sechsten Staatsreform, in dem der symbolische Wert fast noch wichtiger ist als der praktische: Die DG bekommt die konstitutive Autonomie, heißt: die DG kann ihre institutionelle Funktionsweise selbst bestimmen, also entscheiden, wie Parlament und Regierung strukturiert sind und funktionieren. Der entsprechende Gesetzesentwurf trägt unter anderem sogar die Unterschrift von Kattrin Jadin.
Abgeschlossen ist die Staatsreform damit noch nicht. Es fehlen noch letzte Details in Sachen Finanzierungsgesetz, die noch offen sind. Für die DG sind das mehr als Details: Wie sich die DG in Zukunft finanzieren wird, diese Verhandlungen müssen noch abgerundet werden. Deswegen ist es für eine abschließende Beurteilung auch noch zu früh.
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