Ein Blick in die Zeitungen von diesem Mittwoch macht klar: Jo Cornu hat gepunktet. Die Leitartikler, die sich dem Thema neuer Fahrplan für die Bahn widmen, sehen viel Positives in den Reformen. "Ein bisschen Hoffnung für die SNCB", schreibt zum Beispiel Het Nieuwsblad. Und auch Belgiens größte Zeitung, Het Laatste Nieuws, findet viel Lob für den Auftritt von Jo Cornu und seine Pläne für eine langsamere Bahn.
Denn genau das plant der 69-Jährige promovierte Elektrotechniker von der Universität Löwen, Jo Cornu, der seine berufliche Karriere meist in den Führungsetagen großer Unternehmen wie zum Beispiel bei Alcatel und Agfa verbracht hat. Dabei übernimmt Jo Cornu lediglich die Pläne, die schon sein Vorgänger bei der SNCB ausgearbeitet hat. Sie finden die volle Zustimmung des neuen Chefs, denn sie seien auf Realismus gegründet.
Das gelte vor allem für die vielleicht spektakulärste Maßnahme, eben die Verlangsamung der Züge um durchschnittlich 3,3 Prozent für über die Hälfte der Verbindungen. "Wir machen das, um die Kunden nicht zu enttäuschen", sagt Jo Cornu. Es sei doch besser, den Menschen zu sagen: "Der Zug braucht 62 Minuten, und dann stimmt das auch. Als so wie heute zu behaupten: Der Zug braucht 60 Minuten, und dann braucht er tatsächlich 65 oder gar 70 Minuten."
Lob für offene Bestandsaufnahme - Skepsis von Politikerseite
Viel Lob bekommt der neue Bahn-Chef auch für seine offene Bestandsaufnahme bei der SNCB. Da sei alles zu verbessern: Von der Organisationsstruktur über das Material bis hin zur Motivation der Mitarbeiter. "Cornu hat ein Chaos vorgefunden, und er gibt das unverblümt zu", freut sich Het Nieuwsblad über so viel Offenheit des neuen Bahn-Chefs.
Bei den Politikern im Föderalparlament ist das Echo dagegen weniger enthusiastisch. Die Pläne der SNCB stoßen dort durchaus auf Skepsis. Die liberale Valérie De Bue zum Beispiel befürchtet, dass durch die geplante Verlangsamung der Züge ein falsches Signal ausgehen könne. Dadurch würde die Bahn als Transportmittel an Attraktivität verlieren - und genau das Gegenteil wolle man doch erreichen.
Für Ronny Balcaen von Ecolo ist das gesamte Paket des neuen Fahrplans alles andere als überzeugend. Auf die Vorschläge habe man so lange gewartet, und jetzt sei vieles viel zu vage formuliert. Vor allem würden Zahlen fehlen, Ziele, die erreicht werden sollen. Man habe nichts Konkretes in der Hand um zu sagen: Ja, an der derzeitigen Situation wird sich wirklich etwas verbessern.
Solche kritischen Töne, so ist Het Laatste Nieuws überzeugt, wird der neue Bahn-Chef noch öfter hören. Eine Bahn, die langsamer werden will, werde zweifelsohne Spötter auf den Plan rufen. Denn "wir leben halt in einer Welt, in der alles immer schneller werden muss. Da "Stopp" zu sagen und einen Schritt rückwärts zu machen, sei eben schwer", so die Zeitung.
Bahn-Chef Jo Cornu hat übrigens keine Angst vor solcher Kritik. Ganz im Gegenteil: Er sucht sie quasi, sucht das Gespräch mit den Nutzern der Bahn, denn er selbst fahre täglich Bahn. Morgens zur Arbeit und abends wieder zurück. Das gebe ihm Gelegenheit, mit den Kunden zu sprechen. Auch mit dem Bahnhofsvorsteher, mit dem Kontrolleur im Zug. Nur nicht mit dem Lokführer - aber das sei ja verständlich, wie Cornu mit einem Lachen unterstreicht.
Noch öfter wird Jo Cornu den neuen Fahrplan verteidigen müssen, ändern vielleicht auch. Doch letztlich wird erst die Praxis zeigen, was die Pläne alles taugen. In einem Jahr soll es soweit sein. Dann soll die neue grundlegende Fahrplanänderung greifen - die erste übrigens seit über 15 Jahren.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)