Dabei war der Prozess eigentlich mit Spannung erwartet worden. Erstens, weil auf der Anklagebank mit die Crème de la Crème der belgischen Wirtschaft Platz nehmen sollte. Und zweitens, weil es um einen Fall von Insiderhandel ging, noch dazu im Zusammenhang mit der Fortis-Pleite.
Und aus exakt diesen Gründen ist das Signal, dass die Justiz da aussendet, äußerst unglücklich.
Ja! Außergerichtliche Vergleiche sind möglich.
Ja! Es ist inzwischen durchaus gängige Praxis, dass -nach Zahlung einer Geldbuße- Gerichtsverfahren eingestellt werden. Streng genommen gilt das etwa auch schon für viele Delikte im Straßenverkehr. Insofern muss man zugeben, dass für die feinen Herren von Bois Sauvage im Grunde keine Extrawurst gebraten worden ist, dass also der Vorwurf der "Klassenjustiz" nur bedingt zutrifft.
Kann man die Sache damit also guten Gewissens zu den Akten legen?
Nein! Kann man nicht!
Erstens: Weil es hier eben nicht um ein eher kleines Delikt ging. Und zweitens, weil hier -mit der Fortis-Pleite- ein Ereignis im Mittelpunkt stand, das unheimlich vielen Belgiern immer noch in unheimlich schlechter Erinnerung ist. Man muss sich nicht mal anmaßen, das mögliche Urteil vorwegzunehmen. Es reicht, wenn man sich vor Augen hält, worum es in der Akte "Bois Sauvage" eigentlich ging. Konkret nämlich um ein Aktienpaket von 3,6 Millionen Fortis-Anteilen, die die Holding -oh Wunder- gerade noch zum richtigen Zeitpunkt verkauft hat. Da hatte wohl jemand einen Last-Minute-Riecher oder eben einen Insidertipp bekommen.
Im Fall Bois Sauvage ist der Verdacht zumindest nicht ganz abwegig. Dieser Verdacht hat einen Namen: Luc Vansteenkiste. Der war nämlich zugleich Aufsichtsratsmitglied bei Bois Sauvage und bei der Fortis-Bank. Die These der Staatsanwaltschaft: Vansteenkiste hat bei der Fortis-Verwaltungsratssitzung vom 3. Oktober 2008 von der geplanten Zerschlagung der Fortis erfahren, dann schnell zum Hörer gegriffen und seine Kollegen bei "Bois Sauvage" gewarnt, die dann noch schnell -kurz vor Zapfenstreich- eben besagte 3,6 Millionen Aktien verkauft haben. Das nennt man eben Insiderhandel und das ist kein Kavaliersdelikt. In der Akte ging es also um einen millionenschweren Betrug - anders kann man das nicht nennen.
Und dann auch noch ausgerechnet im Zusammenhang mit der Fortis-Pleite. Wenn so manchem auch schwerfallen mag, aber erinnern wir uns an die Tage zwischen dem ersten und dem zweiten Fortis-Wochenende. Am 27. - 28. September 2008 muss der Staat zum ersten Mal intervenieren, um die Fortis-Gruppe vor dem Untergang zu bewahren.
Der Aktienkurs schmierte daraufhin ab, stand in diesen Tagen mehr oder weniger bei 5 Euro. In diesen Tagen war der breiten Öffentlichkeit nicht klar, wie schlecht es der Fortis wirklich ging. Viele Menschen haben also eifrig Aktien gekauft, nach dem Motto: Es kann nur aufwärts gehen, günstiger als jetzt wird's die Papiere wohl so schnell nicht mehr geben. Bis zum Freitag, dem 3. Oktober, gab's seinerzeit einen regelrechten Run auf Fortis-Aktien.
Wer konnte denn auch ahnen, dass der Staat am darauf folgenden Wochenende vom 4. und 5. Oktober wieder eingreifen musste. Diesmal war es die Rosskur. Die Fortis-Bank wurde aus der Gruppe herausgelöst und verkauft. Zurück blieb -aus damaliger Sicht- "drei Mal nichts". Jedenfalls fiel der Aktienkurs ins Bodenlose. Nur für die Ahnungslosen, wohlbemerkt.
Und deren gab's enorm viele. Die Fortis-Pleite war eine kollektive belgische Katastrophe. Zahllose Menschen, kleine Sparer, Durchschnittsbürger besaßen Anteile der großen belgischen Banken, unter anderem der Fortis. Weil diese Papiere eben als bombensicher galten. Die wenigsten dieser Aktionäre hatten ein klassisches "Spekulanten-Profil".
Und eben da liegt der wunde Punkt. Millionen Belgier haben in die Röhre geguckt. Ganze Sparstrümpfe sind in Rauch aufgegangen, Träume einer etwas aufgebesserten und damit sorgenfreien Rente zerplatzt.
Und dann gibt's da einige, die -und wenn's nur ein Verdacht ist- die möglicherweise eben gleicher waren als der Durchschnittsanleger, die vielleicht mit gezinkten Karten gespielt haben, denen dieses Fortis-Trauma erspart geblieben ist.
Und die, wenn denn die Vorwürfe stimmen, nach dem jetzt endgültigen Stand der Dinge wohl auch noch ein Geschäft gemacht haben. Bois Sauvage hat dadurch, dass man am 3. Oktober noch schnell verkauft hat, rund 5,50 Euro statt einige Tage später 1,50 Euro pro Aktie bekommen - eine Differenz von 4 Euro. Bei 3,6 Millionen verkauften Anteilen ist das ein Mehrwert von mehr als 14 Millionen. Wenn man sich jetzt mit 9 Millionen aus der Sache herauskaufen kann, hat man -gleich, wie das Urteil ausgegangen wäre- 5 Millionen eingesackt. Ganz zu schweigen davon, dass ja auch irgendwer die 3,6 Millionen Aktien für 5Euro50 gekauft hat, dass da also Leute insgesamt das Geld verloren haben, was Bois Sauvage -ob nun auf legalem oder illegalem Weg- gewonnen hat.
Das alles soll man also jetzt besagten Kleinanlegern erzählen. Jenen, die sich bis heute von Fortis, vom Staat, von der Welt betrogen und im Stich gelassen fühlen. Die müssen sich also jetzt damit abfinden, dass die Frage nie geklärt wird, ob Bois Sauvage nun betrogen hat oder nicht.
Deswegen ist der Deal vom vergangenen Donnerstag auch ein denkbar unglückliches Signal. Wieder so ein Fall, indem die Justiz offensichtlich ihre Rolle in unserer Gesellschaft verkennt. Gerade, weil die Fortis-Pleite so viele Menschen getroffen hat, ging es darum, ein Zeichen zu setzen, nach dem Motto: Auch die Hochfinanz hat sich an Regeln zu halten. Und deswegen ist das Wort Klassenjustiz im vorliegenden Fall dann doch wieder angebracht.
Und wenn man dagegenhält, dass man doch eigentlich froh sein kann, dass der Staat überhaupt mal im Zusammenhang mit einem Finanzprozess Geld bekommt, dann ist das kein Argument, sondern ein Armutszeugnis.
Wenn irgendein Dummer sich mit solchen Summen bereichert wird er umgehend in 'nen Knast verfrachtet und wartet erst mal das Ende seiner U-Haft ab um seinem Prozeß beizuwohnen, aber wie schon erwähnt es gibt solche und solche... Manche sind eben gleicher als andere... Die da oben sollen sich nicht wundern, wenn denen da unten mal die Hutschnur platzt, einige Köpfe rollen & Laternenpfähle zu Galgen umfunktionniert werden -
Man kann sich bei der belgischen Justiz NUR darauf verlassen das sie nicht unparteisch ist !!
Ein sehr guter Kommentar, der die Sache auf den Punkt bringt.
Aber nur nicht aufregen, es war schon immer so, dass man die Grossen laufen liess und die Kleinen aufhängte. Es gibt eben immer welche, die sind "gleicher" als alle anderen.
Ich persönlich habe längst das Vertrauen in staatlich geförderte Sparformen wie Lebensversicherungen und Pensionssparen verloren. Ich habe nur noch Vertrauen ins Sparbuch.