Das galt offenbar auch für Jan Jambon, derzeitiger Fraktionsvorsitzender der N-VA in der Kammer. Ihn holen jetzt Fotos aus der Vergangenheit ein. Das Pikante an der Geschichte ist aber: veröffentlicht wurden diese Fotos ausgerechnet von Rechtsextremisten.
Wenn Rechtsextremisten Politiker als vermeintliche Rechtsextremisten outen, dann ist das - man ahnt es schon - eine komplizierte und auch unappetitliche Geschichte. Alles beginnt im Frühjahr 2001: Der Sint-Maartensfonds feiert sein 50-jähriges Bestehen. Schon seinerzeit hatte dieses Fest enorm viel Staub aufgewirbelt. Der Sint-Maartensfonds ist nämlich kein Verein wie jeder andere. Es ist ein Zusammenschluss von früheren Frontkämpfern, oft ehemalige Mitglieder der Waffen-SS, die sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig gemeldet hatten, um in der Armee von Nazi-Deutschland zu dienen.
Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Kameraden des Sint-Maartensfonds ihr Gedankengut nie verleugnet, nie abgelegt haben, im Klartext: Viele sind waschechte Altnazis. Das ist so und das war 2001 auch schon so, sagte auch der Historiker Bruno De Wever von der Uni Gent in der VRT. Er ist der Bruder von N-VA-Chef Bart De Wever. Der Sint-Maartensfonds, so sagt jedenfalls Bruno De Wever, sei eine extremistische Organisation, die dem Nationalsozialismus nie abgeschworen und daraus auch nie einen Hehl gemacht habe.
Jan Jambon ist inzwischen Mitglied der N-VA. 2001, war das noch nicht so. Streng genommen existierte die Partei damals noch gar nicht. Jan Jambon ist jedenfalls nicht irgendein Mitglied der N-VA, sondern Fraktionschef in der Kammer und Mitglied des "inner circle", der Führungsriege der N-VA um Parteichef Bart De Wever.
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass ihn seine Vergangenheit einholt. Schon 2007 machte der Open-VLD-Politiker Karel De Gucht die Geschichte öffentlich. Da war die Affäre Johan Sauwens noch in bester Erinnerung. Sauwens war 2001 über eben diese Festveranstaltung des Sint-Maartensfonds gestolpert. Weil er zugeben musste, dort anwesend gewesen zu sein, musste Sauwens als damaliger flämischer Innenminister den Hut abgeben.
Über den Redebeitrag von Jan Jambon sprach man dagegen nach 2007 erstmal nicht mehr. Das mag verwundern. Die Affäre Sauwens war damals noch um die halbe Welt gegangen. Aber: in Flandern ist die Sache eben manchmal etwas anders gelagert. Das Milieu der Kollaborateure des Zweiten Weltkriegs war immer fester Bestandteil der flämischen Bewegung, sagt auch der Historiker Bruno De Wever. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass Leute wie Jambon oder Sauwens bei der Veranstaltung des Sint-Maartensfonds anwesend waren.
Stichwort Amnestie-Frage...
Es ist die schwierige, nach außen hin kaum vermittelbare Nähe zwischen der flämischen Bewegung und den rechtsextremen Weltkriegskollaborateuren. Und das erklärt, warum Jan Jambons Redebeitrag erstmal kaum weiter Aufsehen erregte. Bis jetzt. Bis plötzlich Fotos von Jan Jambon am Rednerpult des Sint-Maartensfonds auftauchten. Flankiert von noch ganz anderen Bildern: Jan Jambon mit führenden Vertretern des rechtsextremen Vlaams Blok, heute Vlaams Belang, Jan Jambon zusammen mit Jean-Marie Le Pen, dem damaligen Führer des Französischen Front National, der die Gaskammern als "Detail der Geschichte" bezeichnet hat. Wenn diese Bilder auch eigentlich nur das illustrieren, was man in der Sache schon wusste - nichts Neues im Grunde, ein Bild spricht doch mehr als tausend Worte. Diesmal steht Jan Jambon jedenfalls am Medienpranger.
Pikant wird es allerdings, wenn man weiß, wo diese Fotos so plötzlich herkommen. Nicht eine linksgerichtete Organisation, nicht ein von den demokratischen Grundwerten beseelter Enthüllungsjournalist hat die Bilder ans Licht gebracht. Veröffentlicht wurden sie vielmehr von der rechtsextremistischen Organisation N-SA. N-SA steht für Neue Solidaristische Alternative. Es ist also ein Angriff von der extrem-rechten Seite. Dort scheint man die N-VA inzwischen in die Verräterecke zu stecken. Dies unter anderem, nachdem der N-VA-Spitzenmann Siegfried Bracke die flämische Fahne als "Lumpen" bezeichnet hat. Auch hatte Bart De Wever im Frühjahr eine Demo der N-SA verboten.
Beobachtern zufolge geht es hier in erster Linie um Rache. Zugleich ist die Geschichte eine weitere Illustration der inneren Spannungen im nationalistischen Lager. Jan Jambon wollte sich bislang nicht zu den Fotos äußern.
Bild: Kristof Van Accom (belga)