Auch gut zwei Tage nach dem verheerenden Flugzeugabsturz in der Nähe von Fernelmont bei Namur ist die Bestürzung groß. Bei dem Unglück waren am Samstagnachmittag elf Menschen ums Leben gekommen. Nach wie vor ist die genaue Unfallursache unklar. Nach Augenzeugenberichten hat die Maschine abrupt an Höhe verloren, dabei wurde ein Teil der Tragfläche abgerissen. Die Trümmerteile werden zur Analyse in den Luftwaffenstützpunkt von Beauvechain gebracht.
"Das ist eine Nationale Katastrophe", sagte ein sichtlich bestürzter Premierminister Elio Di Rupo. Auch König Philippe war an den Ort der Katastrophe geeilt, ebenso wie Innenministerin Joëlle Milquet. Sie alle wollten durch ihre Präsenz den Angehörigen Trost spenden. "Wir denken an die Freunde und Angehörigen der Opfer", sagte Di Rupo. Darunter sind wohl auch viele Kinder, weil es sich größtenteils noch um recht junge Menschen handelte.
Augenzeugen: Flugzeug verlor plötzlich an Höhe
Samstagnachmittag, 15.30 Uhr: Vom kleinen Flughafen Temploux aus startet ein Flugzeug, eine Maschine vom Typ Pilatus PC-6 Turbo Porter. An Bord: der Pilot und zehn Fallschirmspringer. Geplant ist, dass sie etwa 20 Kilometer weiter über der Ortschaft Fernelmont abspringen, ganz in der Nähe von Namur.
Der Pilot muss plötzlich Probleme bekommen haben. Benoît Pierson ist gerade bei der Gartenarbeit, als ihm ein ungewöhnliches Motorengeräusch auffällt. "Erst dachte ich, es handele sich um einen Akrobatik-Flug, das haben wir hier schon mal häufiger", sagt Pierson in der RTBF. Dann habe er aber doch mal in die Luft geschaut. Und da habe er gesehen, dass das Flugzeug brutal an Höhe verlor. Plötzlich habe er eine Explosion gehört, eine Tragfläche habe sich gelöst. Das sei alles rasend schnell gegangen. Zwar hätten noch einige der Fallschirmspringer versucht, aus dem Flugzeug zu springen; es war aber zu spät.
Diese Zeugenaussage ist von kapitaler Bedeutung. Jetzt wissen die Experten zumindest, worauf sie ihre Untersuchungen erst einmal konzentrieren müssen: die Tragflächen des Flugzeugs.
Dass ein Flugzeug seine Flügel verliert, das passiert höchst selten. Jean-Pierre Gozée, ehemaliger Linienpilot und Fluglehrer, hatte in der RTBF eine Theorie. Denkbar sei, dass der Pilot in instabile Luftschichten geflogen sei, und dabei die Kontrolle verloren habe. In dem Moment geht die Maschine in den Sturzflug. Dabei wirken enorme Kräfte und diese Flugzeuge halten das nicht aus.
Der Aufprall muss fürchterlich gewesen sein. Den Rettungskräften, die offenbar sehr schnell am Ort des Geschehens waren, bot sich ein Bild des Grauens. Das Wrack brannte lichterloh, sagt dieser Feuerwehrmann, für die Insassen kam jede Hilfe zu spät, überall lagen Leichen.
Elf Todesopfer. Es ist die schlimmste Katastrophe in der Geschichte der der belgischen Luftfahrt seit mehr als 50 Jahren, seit 1961. Am Sonntag haben die Freunde und Angehörigen der Opfer den Absturzort besucht. Laut Psychologen ist das eine wichtige Etappe bei der Aufarbeitung des Schmerzes.
Tote identifiziert, Unglücksursache noch unklar
Alle elf Opfer des Flugzeugabsturzes sind inzwischen identifiziert. Das gab der Prokurator des Königs von Namur am Montagabend bekannt. Wie die Stadt mitteilte, wird es keine kollektive Beisetzung geben. Wenn die Familien es wünschten, könne dennoch eine gemeinsame Gedenkfeier organisiert werden.
Unterdessen schreiten die Untersuchungen zur Unfallursache voran. In einer ersten Phase mussten alle Trümmerteile aufgesammelt und ihr Fundort genau katalogisiert werden. Das Ganze wird jetzt quasi wie ein Puzzle zusammengesetzt; und zwar im Luftwaffenstützpunkt Beauvechain in Provinz Wallonisch-Brabant. Dort hätten Experten bereits die Wrackteile in Augenschein genommen, sagt Philippe Dulieu, Prokurator des Königs von Namur. In einem weiteren Schritt werden mehrere Zeugen gehört.
Die Möglichkeit, dass das Flugzeug eine Windkraftanlage gestreift hat, könne man zum jetzigen Zeitpunkt eher ausschließen, sagt Dulieu. "Wir ermitteln dennoch in alle Richtungen. Die Frage ist und bleibt: Was ist da passiert? Und gibt es da vielleicht irgendwelche individuellen Verantwortlichkeiten?"
Auf der Anklagebank sitzt gewissermaßen aber auch das Flugzeug. Die Pilatus PC-6 gilt zwar als verlässlich. Dagegen scheint aber die vergleichsweise hohe Zahl an Unfällen mit diesem Flugzeug zu sprechen. Die Unglücksmaschine von Fernelmont war übrigens schon einmal in einen Unfall verwickelt; vor 13 Jahren war exakt dieses Flugzeug schon einmal abgestürzt, und war im ostflämischen Moortsele. Sie wurde danach aber wieder flottgemacht.
Danach sei die Maschine wie neu gewesen, sagt ein Fachmann. Jetzt brachte sie elf Menschen den Tod ...
RoP/belga/cd - Bilder: John Thijs, Virginie Lefour, Laurie Dieffembacq (belga)