Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den Briten Peter Higgs und den Belgier François Englert für die Vorhersage des Higgs-Teilchen. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Physiker ist mit umgerechnet 920.000 Euro (acht Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.
"Das ist ein Triumph, nicht nur für Higgs und Englert, sondern auch für die Teilchenphysik", sagte Gunnar Ingelman von der Königlich-Schwedischen Wissenschaftsakademie.
"Der Preis wird in diesem Jahr für etwas sehr Kleines verliehen, das den ganzen Unterschied macht", sagte Staffan Normark, Ständiger Sekretär der Wissenschaftsakademie. In der offiziellen Begründung hieß es, die Auszeichnung werde für die theoretische Vorhersage eines Mechanismus vergeben, der zum Verständnis der Masse subatomarer Partikel beitrage und der kürzlich durch die Entdeckung des vorhergesagten Teilchens mit den Detektoren "Atlas" und "CMS" am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bestätigt worden sei.
Ende Mai waren Higgs und Englert für die vor fast 50 Jahren aufgestellte Theorie des Higgs-Teilchens der spanische Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Wissenschaft und Forschung zugesprochen worden.
Englert lobt Arbeit von Higgs
Der belgische Physik-Nobelpreisträger François Englert hat die Arbeit des ebenfalls ausgezeichneten britischen Wissenschaftlers Peter Higgs gelobt. "Er hat eine Spitzenarbeit geleistet", sagte Englert am Dienstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Freien Universität von Brüssel. Dort hatte der 80-Jährige lange gearbeitet.
Englert sprach auch über seinen früheren wissenschaftlichen Weggefährten Robert Brout, der vor zwei Jahren gestorben war. Auch er hatte an der Entwicklung der Theorie mitgewirkt. "Ich bedauere, dass mein Mitarbeiter und Freund meines ganzen Lebens, Robert Brout, nicht hier ist", so Englert. Er trug sein Markenzeichen, eine dicke schwarze Brille. Er wirkte verhalten, aber zufrieden.
Englert und Brout beschrieben ein besonderes Teilchen
In der belgischen Welt der Wissenschaft hatte man damit gerechnet, dass François Englert in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis bekommen würde. Für viele Zeitungen bestand kaum ein Zweifel daran. "Jetzt oder nie", hieß es da. François Englert muss einfach den Preis bekommen, schrieben andere. Der Grund: Weil die Entdeckung so fundamental ist.
Englerts Karriere als Physiker ist eng mit der Universität Brüssel verknüpft. Hier schloss er 1955 sein Studium als Elektroingenieur ab und schrieb seine Doktorarbeit in Physik. Nach einem kurzen Intermezzo an der Cornell University im US-Bundesstaat New York kehrte er wieder nach Brüssel zurück.
François Englert hat in den 1960er Jahren zusammen mit seinem Kollegen Robert Brout an der Freien Universität Brüssel ein Teilchen beschrieben, das man als den "Heiligen Gral" der Physik bezeichnet, das "Gottesteilchen". Gemeinsam mit Robert Brout reichte Englert im Juni 1964 seinen bahnbrechenden Aufsatz "Broken Symetry and the Mass of Gauge Vector Mesons" ein. Erst im August zog der britische Physiker Peter Higgs der Universität in Edinburgh mit ähnlichen Erkenntnissen nach. "Wenn man ehrlich ist, müsste man den Higgs-Mechanismus eigentlich Brout/Englert/Higgs-Mechanismus nennen", sagt Wolfgang Hollick, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik. Im Gegensatz zu Higgs hätten Englert und Brout lediglich das später so genannte Higgs-Teilchen nicht erwähnt.
Allgemein sagt man, dass dieses Teilchen quasi die Entstehung der Welt abschließend erklärt. Die damals gängigen Theorien über den Urknall waren in sich nicht stimmig. Erst durch die Arbeiten von Brout und Englert beziehungsweise Higgs, konnten entscheidende Lücken geschlossen werden. Der Punkt war nur: Jahrzehntelang war es nicht mehr als eine Theorie, bis dann vor zwei Jahren, also fast 50 Jahre nach den theoretischen Arbeiten der Physiker, der Nachweis im Experiment gelang.
Nachweis im Teilchenbeschleuniger des CERN
Dieser Nachweis gelang im Teilchenbeschleuniger in der Nähe von Genf, im so genannten CERN, dem Europäischen Kernforschungszentrum. Dort hatte man sich das Ziel gesetzt, das besagte Higgs-Teilchen nachzuweisen. Damit das aber überhaupt möglich wurde, musste die Anlage zuerst deutlich vergrößert werden und es mussten auch viel sensiblere Messgeräte installiert werden. Zehn Jahre wurde gebaut, bis die neue Anlage fertig war: das so genannte LHC, der größte Teilchenbeschleuniger der Welt. Erst mit Hilfe dieser sündhaft teuren Apparatur konnte man sich auf die Jagd nach dem Teilchen machen.
Im Juli 2012 hieß es dann: "Wir haben es gefunden!" Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 Prozent sei man sich sicher, das ominöse Teilchen entdeckt zu haben. Mit dieser Entdeckung wurden diejenigen, die das Teilchen "erdacht" hatten, mit einem Mal zu Top-Favoriten für den Physiknobelpreis. So auch François Englert. Er stand schon letztes Jahr auf der Liste der Top-Favoriten.
In der RTBF hat François Englert vor einiger Zeit mal ein kleines Interview gegeben. Englert erzählte dabei, dass er und sein Kollege schon damals gespürt haben, dass sie da einer wirklich großen Sache auf die Spur gekommen waren: "Wir wussten zwar nicht, was das alles für Folgen haben würde", sagte François Englert. "Wir wussten aber, dass wir da eine ganz wichtige Entdeckung gemacht hatten." Was ihn angetrieben hat sei die Lust, die Welt zu beschreiben. Und was ihn vor allem immer fasziniert habe, sagte Professor Englert: "Die Welt hat einen logischen Aufbau, fast schon ästhetisch." "Gott würfelt nicht", hatte schon Albert Einstein gesagt: Zufälle gibt es nicht, alles muss logisch sein.
Liste der belgischen Nobelpreisträger nicht sehr lang
Die Liste der belgischen Nobelpreisträger ist nicht sehr lang: François Englert ist erst die Nummer 11. Der letzte belgische Nobelpreis liegt fast 40 Jahre zurück: 1977 bekam Ilya Prigogine den Nobelpreis für Chemie. Der letzte noch lebende belgische Nobelpreisträger ist erst vor einigen Monaten verstorben: Das war Christian de Duve, der 1974 den Nobelpreis für Medizin bekommen hatte.
Ein Nobelpreisträger, das ist natürlich eine Bestätigung für die wissenschaftliche Forschung in einem Land, das ist ein Motivationsfaktor für junge Leute, es ist auch eine Prestigefrage. Und mit Englert wird jemand belohnt, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass wir das Universum besser verstehen.
François Englert ist 80 Jahre alt, er wurde 1932 in der Brüsseler Gemeinde Etterbeek geboren und ist emeritierter Physik-Professor an der Freien Universität Brüssel. Sein Kollege Peter Higgs ist 84 Jahre alt.
Premierminister gratuliert Nobelpreisträger Englert
Premierminister Elio Di Rupo hat dem neuen Nobelpreisträger Feançois Englert seinen Glückwunsch übermittelt und die Auszeichnung als eine große Ehre für die Freie Universität Brüssel sowie für das gesamte Land bezeichnet. Er hoffe, dass die ehrenvolle Auszeichnung viele junge Menschen anspornen werde, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, so der Premier in einem Pressekommuniqué.
Der Premierminister habe erst kürzlich in Begleitung von François Englert das europäische Kernforschungszentrum CERN in Genf besuchen dürfen und sei tief beeindruckt gewesen von den Kenntnissen Englerts und von dessen Leidenschaft, sein Wissen weiterzugeben und die Wissenschaft voranzubringen.
EU-Kommission gratuliert Englert und Higgs für Nobelpreis
Die EU-Kommission gratuliert dem Briten Peter Higgs und dem Belgier François Englert zum Physik-Nobelpreis. Anerkennung gelte auch den tausenden Wissenschaftlern, die im Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf jahrelang gearbeitet hätten, erklärte Forschungskommissarin Máire Geoghegan-Quinn am Dienstag in Brüssel. Die EU habe Forschung unterstützt, die zur Arbeit beim CERN beigetragen habe, so die Irin. Higgs und Englert erhalten die Auszeichnung für die Vorhersage des Higgs-Teilchen.
Via Twitter beglückwünschte inzwischen auch König Philippe den neuen belgischen Nobelpreisträger. Dessen außergewöhnliches Talent sei für Belgien eine große Ehre. Glückwünsche erreichten die beiden Wissenschaftler Higgs und Englert u.a.auch von der EU-Kommission, die zugleich den Experten des Europäischen Kernforschungszentrums gratulierte.
Riesenjubel am CERN nach Nobelpreis-Entscheidung
Die Verkündung des Physik-Nobelpreises an Peter Higgs und François Englert hat am Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf Begeisterung ausgelöst. "Hier war ein Riesenjubel", sagte die Teilchenphysikerin Kerstin Borras unmittelbar nach der Bekanntgabe am Dienstag. Weit über 100 Forscher hatten sich demnach im großen Foyer des Bürogebäudes am CERN in Genf verteilt und verfolgten live die Übertragung der Preisverkündung, die sich eine gute Stunde verzögert hatte.
"Wir haben alle hier eine Stunde gewartet. Das war eine Superanspannung, die sich dann in einem Riesenapplaus löste", erzählte Borras. "Es war natürlich nicht 100-prozentig klar, aber wir haben schon gehofft, dass die historische Entdeckung dieser Forscher gewürdigt wird."Dass kein Mitarbeiter des Cern mitaufgeführt war, sah Borras gelassen. "Es ist sehr schwierig, einen CERN-Wissenschaftler herauszuheben. Wir sind eine weltweite Forschergemeinde."
belga/dpa/mitt/mh/rop - Bild: Laurie Dieffembacq (belga)