Jean Lambrecks hatte 1997 den Staat auf Schadensersatz verklagt. Der Vorwurf: Polizei und Staatsanwaltschaft hätten während ihrer Ermittlungen Fehler gemacht. Das Berufungsgericht in Brüssel hat die Klage am Dienstag, nach 16 Jahren, zurückgewiesen. Und das, obwohl ein Untersuchungsausschuss im Parlament gravierende Fehler festgestellt hatte.
Die Familie Lambrecks und ihre Anwälte sind enttäuscht. Mit dem Urteil hätten sie nicht gerechnet. Unklar ist, ob sie gegen den Beschluss des Berufungsgerichts angehen und wegen Formfehlern den Kassationshof anrufen.
Rückblick: Im Sommer 1996 stoßen die Ermittler in Garten von Marc Dutroux' Haus auf die Leichen von Julie, Mélissa, An und Eefje. Die vier Mädchen waren ein Jahr zuvor verschwunden. 1997 reichen die Eltern von Eefje Lambrecks Klage gegen den belgischen Staat ein. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten gravierende Ermittlungsfehler begangen. Ein Untersuchungsausschuss im Parlament befasst sich ebenfalls mit der Sache und kommt zu dem Schluss: Ja, es sind Fehler gemacht. Die Polizeidienste in Belgien werden daraufhin reformiert.
Formal-juristisch keine Fehler
Doch die Gerichte sehen formal-juristisch keine Fehler. Der Lambrecks-Prozess zieht sich in die Länge. Heute, 16 Jahre nach der eigentlichen Klage, weist das Berufungsgericht die Anklage zurück, trotz der eindeutigen Schlussfolgerung der Parlamentarier. Der Abschlussbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission ist kein Gerichtsurteil, sagt Patrick Hofströssler - der Rechtsbeistand des belgischen Staates. Das Dokument diene nur als Information, es sei eine politische Einschätzung der Lage. Das Gericht müsse sich aber selbst ein Bild machen und sehe formal-juristisch keinerlei Anspruch auf Schadensersatz.
In seinem Urteil erklärt das Berufungsgericht, man dürfe den Ermittlungsstand und die Methoden in den 1990er Jahren nicht mit heute und dem jetzigen Kenntnisstand vergleichen. Wären die Ermittlungen anders gelaufen, dann hätten die schrecklichen Taten möglicherweise trotzdem begangen werden können, so das Berufungsgericht. Oder anders ausgedrückt: Wurde der Schaden, der der Familie Lambrecks entstanden ist, durch die Pannen von Polizei und Justiz verursacht? Rein juristisch lautet die Antwort des Gerichts nein.
Auch der damalige Justizminister, Melchior Wathelet Senior, hat nach Ansicht des Berufungsgericht keinen Fehler gemacht, als er Anfang der 1990er seine Zustimmung gegeben hat, um Marc Dutroux Jahre verfrüht aus dem Gefängnis freizulassen. Aufgrund der Gesetzgebung von damals hätte gleichwelcher Minister dasselbe gemacht, so Anwalt Hofströssler. Der damalige Minister sei also nicht verantwortlich.
Bild: Dirk Waem (belga)