Ein Beispiel: Das Kindergeld zahlt zurzeit der Föderalstaat. Nach der Staatsreform werden es die Gemeinschaften tun. Eltern in Antwerpen bekommen das Geld künftig also von Flandern gezahlt, Eltern in Namur von der Wallonie, in Eupen von der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Und in Brüssel? Ja, von wem eigentlich? Von der Region Brüssel würden Sie jetzt sagen. Doch, Achtung, so einfach ist es nicht.
In der Hauptstadt leben nämlich zwei Gemeinschaften nebeneinander her. Seit fast 20 Jahren gibt es beispielsweise auch zwei Schulsysteme. Das eine wird von den Französischsprachigen verwaltet und finanziert, das andere von den Flamen. In ein- und derselben Stadt: zwei verschiedene Welten. Völlig absurd ist das und dazu noch kontraproduktiv.
Dasselbe droht jetzt mit dem Kindergeld zu passieren. Das soll zwar von der - halten Sie sich fest - gemeinsamen Gemeinschaftskommission verwaltet werden, also dem Organ, in dem Französischsprachige und Flamen in Brüssel gemeinsam entscheiden. Aber: Es wird der Tag kommen, an dem Flandern das Kindergeld erhöht und die Wallonie nicht, weil sie es sich nicht leisten kann.
Was geschieht dann in Brüssel? Werden die Eltern sich dort entscheiden müssen, ähnlich wie für die Schule, und ihre Kinder in dem einen oder dem anderen System einschreiben? Wie gesagt: völlig absurd. Fragen Sie jetzt bloß nicht, was passiert, wenn die Eltern umziehen, sich scheiden lassen oder der Vater Französisch und die Mutter Niederländisch spricht …
Das gleiche Problem besteht übrigens für Senioren, die einen Platz im Altenheim suchen. Auch hier leben Frankophone und Flamen in ihrer eigenen Welt. Wie gesagt: in ein und derselben Stadt. Völlig absurd. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Brüssel wegen EU und Nato immer internationaler wird. Englisch ist auf dem Vormarsch, in einigen Stadtteilen Arabisch.
Die Region Brüssel ist über die Jahre erwachsen geworden. Das ganze Hin- und Her wäre einfach zu lösen. Flamen und Wallonen müssten sich einen Ruck geben und ihre Zuständigkeiten an die Region Brüssel übertragen. Im Parlament der Hauptstadt sitzen ja sowohl französischsprachige als auch niederländischsprachige Volksvertreter. Dann könnte die Stadt endlich die Politik machen, die gut für ihre eigene Entwicklung ist. Und nicht die Politik, die Flamen oder Wallonen ihr vorschreiben wollen. Das würde für klare Verhältnisse sorgen, außerdem wäre die Zusammenarbeit viel einfacher.
Doch die Flamen haben Angst, an Einfluss zu verlieren und das Gefühl, sie würden Brüssel aufgeben. Die Frankophonen dagegen bangen um den Fortbestand ihrer Französischen Gemeinschaft. Doch seien wir doch mal ehrlich: Die ist doch durch die Realität Anno 2013 längst überlebt. Der Französischsprachige in Brüssel hat andere Bedürfnisse als der in Charleroi oder Bastogne. Und für die Frankophonen in den flämischen Randgemeinden kann und darf die Französische Gemeinschaft eh nichts tun.
Wenn wir weitermachen wie bisher, wird das Land jedenfalls nicht besser regiert. Der kleine Mann auf der Straße blickt ohnehin längst schon nicht mehr durch. Besser und einfacher wären klare Verhältnisse und mehr Zusammenarbeit.
Bild: BRF