Heirats-Dschihadismus: So nennt man die Art und Weise, wie radikalisierte muslimische Frauen ihren Beitrag zum angeblich "Heiligen Krieg" leisten. In der Zeitung De Morgen erklärt ein Experte das Phänomen wie folgt: Junge Frauen sehen ihre männlichen Altersgenossen in den Dschihad ziehen, an die Front in Syrien. Und sie stellen sich die Frage, was sie tun können, um zu helfen. Die Antwort im Internet lautet: "Heiraten".
Bislang gab es darüber nur Berichte aus Ländern wie Algerien oder Tunesien. Auch innerhalb der syrischen Flüchtlingslager werden "Bräute rekrutiert". Jetzt hat das Phänomen aber auch in Belgien ein Gesicht, genauer gesagt zwei. Zum zweiten Mal ist eine junge Frau nach Syrien gereist, um sich dort den Dschihad-Kämpfern anzuschließen.
Vor einigen Tagen ist Nora aus dem Haus gegangen und war eigentlich auf dem Weg zu ihrem Ferienjob, sagt der SP.A-Politiker Hans Bonte, Bürgermeister von Vilvoorde, in der VRT. Abends bekamen die Eltern dann einen Anruf aus der Türkei: Ihre Tochter befinde sich im Grenzgebiet mit Syrien. Inzwischen ist Nora wohl schon verheiratet mit einem Syrien-Kämpfer und hat sich den Dschihadisten angeschlossen, sagt Hans Bonte.
Mehr als eine Pubertätskrise
Nora ist 16, sie hat marokkanische Wurzeln. In den letzten Wochen und Monaten ist sie wohl ins Fahrwasser radikaler Islamisten geraten. Von einem Tag auf den anderen trug sie plötzlich einen Schleier, war ganz in Schwarz gekleidet, wetterte gegen die westliche Lebensweise. Ihre Eltern spürten, dass das mehr war, als eine reine Pubertätskrise, konnten aber nicht viel tun.
Nora war in den Bann von Rattenfängern geraten, in die Fänge eines Menschenhändlerrings: In Syrien werden den Kämpfern Bräute versprochen, in Europa werden sie rekrutiert. "Und dieses Netzwerk ist gut organisiert, das sieht man am Beispiel Nora", sagt auch Hans Bonte. Das Flugticket sei von Dritten bezahlt worden, zudem habe ein Auto bereit gestanden, um die jungen Frauen nach Düsseldorf oder München zu bringen, von wo aus es dann Richtung Türkei geht.
Vilvoorde hat sich zu einem der Epizentren des Phänomens entwickelt. Die meisten jungen Leute, die von Belgien aus nach Syrien an die Front gereist sind, stammten aus Vilvoorde und Umgebung. Bürgermeister Hans Bonte fordert, dass man den Behörden die Möglichkeit gibt, notfalls Ausweispapiere einzuziehen, eben um zu verhindern, dass junge Menschen bei Nacht und Nebel nach Syrien verschwinden - natürlich in Absprache mit den Eltern, wenn sich zeige, dass der Betroffene sich zunehmend radikalisiere.
Vor Nora hatte sich auch schon eine 19-Jährige aus Schaerbeek in das höllische Abenteuer gestürzt. Denn es ist die Hölle in Syrien, selbst wenn die direkt Betroffenen das anscheinend anders sehen. Nora hat sich nämlich inzwischen nochmal bei ihren Eltern gemeldet. Was sie erzählt hat, ist haarsträubend: "Alle fünf Minuten explodieren hier Bomben", soll Nora am Telefon gesagt haben. "Ich bin hier im wahren Paradies."
Illustrationsbild: JM Lopez (afp)