Verbieteritis, nächster Akt. Bevormundung 2.0. Wie lange mag es wohl noch dauern, ehe uns ein Staat zwingend vorschreibt, was wir wann zu essen haben? Wann wird eigentlich die tägliche Überprüfung des Säure-Basen-Haushaltes zur Pflicht? Wann wird wohl die Orwellsche Schreckensvision eines Big Brother-Staates Realität, der von seinen Bürgern verlangt, jeden Morgen - freilich unter Aufsicht des allgegenwärtigen Behördenauges - brav Frühsport zu machen?
Überzogene Vergleiche? Ansichtssache! Moralapostel mit schlauen Studien unterm Arm legen in letzter Zeit in jedem Fall eine erstaunliche Kreativität an den Tag, wenn es darum geht, die Bürger zu ihrem vermeintlichen Glück zu zwingen.
Und das klingt ja dann auch immer alles so logisch, nachvollziehbar, vernünftig: Alkohol, vor allem in unvernünftigen Mengen, schadet der Gesundheit. Das gilt insbesondere für junge Menschen, die negativen Folgen sind nach neuesten Studien schlimmer als bislang bekannt. Vor diesem Hintergrund bekommt das Phänomen des "Binge-Drinkings" ("Komasaufens") also eine neue Dimension. Beides zusammengenommen, also die neuen Studien und das Binge-Drinking, dienen als Begründung für die Idee eines Alkoholverbotes für Minderjährige.
Doch ehrlich gesagt: Haben wir es hier mit wirklich neuen Erkenntnissen oder Phänomenen zu tun? Was heute Komasaufen heißt, hieß früher Kirmes. Wer ist nie jung gewesen? Wer hat keine Geschichte parat vom ersten Karneval, von der ersten Meisterfeier beim Fußball, vom ersten Schützenfest, wo man seine erste Grenzerfahrung mit Alkohol gemacht hat? Mitunter war diese erste Erfahrung schon so eine kleine Lektion fürs Leben ...
Naja. Besagtes Binge-Drinking, wo es darum geht, sich so schnell wie möglich zum Mond zu trinken, das ist vielleicht die wohl unvernünftigste Form des Alkohol-Konsums, es betrifft aber eine Minderheit. Das allein rechtfertigt jedenfalls keine Verschärfung der Gesetze. Zumal hier einmal mehr allein die Jugend und dann auch noch in ihrer Allgemeinheit an den Pranger gestellt wird. Als gebe es nur "den" Jugendlichen, als beschränke sich unvernünftiges Verhalten auf Jugendliche, als seien allein junge Menschen dazu im Stande, aus dem Rahmen zu fallen.
Vor einigen Tagen machte das Foto einer älteren Dame die Runde, die vor einer Wand aus Bierkästen posierte. Bertha De Bot aus dem flämischen Dilbeek hatte zu ihrem 90. Geburtstag von ihrer Familie 90 Bierkisten geschenkt bekommen. Die Frau hat Verwendung dafür: Sie trinkt 16 Bier pro Tag. Und das seit 73 Jahren, wie sie stolz in einer Zeitung erzählt. Das nennt man wohl Binge-Drinking im Dritten Alter.
Und die gute Bertha ist wahrscheinlich auch nicht die einzige unter ihren Altersgenossen, die ihren Lebensabend im Hochnebel verbringt. Soll man dafür gleich ein Alkoholverbot ab, sagen wir mal, 80 Jahren einführen? Es gibt bestimmt eine Studie, die besagt, dass das Urteilsvermögen ab einem gewissen Alter abnimmt ...
Nein, Verbote sind keine Lösung. Nie! In den USA ist wohl selten so viel Alkohol konsumiert worden wie in der Zeit der Prohibition. Und wenn man schon der Jugend einen Charakter-Stigma aufs Auge drücken will: Gerade junge Menschen empfinden so eine Art "Reiz des Verbotenen", eben den Sturm und Drang, Grenzen auszutesten und sie auch zu überschreiten. Und eins ist sicher: auch ein Alkoholverbot für Minderjährige wird keinen Jugendlichen davon abhalten, zu trinken. Wo ein Wille, da ein Weg.
Das heißt ja nicht, dass man gleich applaudieren muss, wenn ein (vielleicht viel zu) junger Mensch sternhagelvoll Richtung Toilette wankt. Doch sollten wir alle uns da mal an die Nase fassen. Alkohol gehört dazu: kein Empfang ohne Schaumwein, kein Essen ohne Wein und Pousse-Café, kein Fußballspiel ohne Bierwerbung. Die erste Fußballdivision ist sogar nach der Marke mit dem Stier benannt.
Und apropos Werbung: Es ist zudem eine Tatsache, dass die Industrie mit ihren Marketing-Strategien vor allem junge Menschen ansprechen will. Hier sollte man den Hebel ansetzen. So sehr es auch nach einer abgedroschenen Phrase klingt, auch hier gilt: " Prävention statt Repression".
Eine Gesellschaft, die nur noch verbieten und bestrafen kann, die raubt am Ende allen die Luft zum Atmen. Der angeblich Gesunde Menschenverstand wird zur Legitimation für eine immer weiter um sich greifende staatliche Bevormundung. Wer es gutheißt, Jugendliche an die kurze Leine zu nehmen, der sollte sich jedenfalls auch dann nicht beklagen, wenn er sich irgendwann selbst in einem viel zu engen Korsett wiederfindet.
Es ist nur ein weiterer Schritt in die Entmündigung des Bürgers und ein weiterer Willkürakt nach Natura 2000, den grünen Zertifikaten usw. Aus Belgien wird Belgisthan und aus der Eu die EUdSSR. Das einzige was uns noch fehlt, sind die Bärte der Taliban und deren Fanatismus zur Durchsetzung politischer Ziele.
Herr Pint, ihr Kommentar ist einer der besten der in der letzten Zeit gemacht wurde. Inzwischen bin ich pensioniert und habe eine tolle Karriere hinter mir. Das erste Glas Alkohol habe ich mit 14 getrunken, und seitdem gehört regelmässiger, aber nicht täglicher Alkoholkonsum zu meinen Gewohnheiten die ich nie hätte missen wollen. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass es mir schaden würde, ganz im Gegenteil. Sportliche Aktivitäten gehören auch jetzt noch immer zu meinem Zeitvertreib. Jedoch habe ich darauf geachtet, dass dieser Brauch sich hauptsächlich auf den Bierkonsum beschränkt. Das “Süssliche” gepaart mit hochprozentigem Alkohol ist es was einige Jugendliche zum Verhängnis wird. Ausserdem wird der totale Verlust der Kontrolle über sich selbst eher als lustig empfunden anstatt beschämend. Hier sollten Erziehung und Prävention ansetzen! Verbote sind keine Lösung und würden allenfalls den Gerichten zusätzliche Arbeit bescheren.
Sehr geehrter Herr Scholzen,sehr geehrter Herr Bongartz,
Sie sprechen mir aus tiefster Seele
Norbert Cormann Jahrgang 1964