Nach der plötzlichen Schließung der griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT streiken die Journalisten des Landes am zweiten Tag in Folge. In den Verwaltungen und im Personenverkehr legten die Bediensteten die Arbeit nieder.
Auch international reißen die Proteste nicht ab. Der Generaldirektor der frankophonen Rundfunkanstalt RTBF, Jean-Paul Philippot, und der Nationale Journalistenverband AGJPB äußerten scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung in Athen.
"Selbst in den dunkelsten Stunden der Militärdiktatur in Griechenland hat so etwas keiner gewagt": Jean-Paul Philippot, Intendant der RTBF, redet nicht um den Brei herum. Für ihn ist die Schließung der griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT ein gefährlicher Präzedenzfall. Wenn die Polizei einen Sender abschalte, Journalisten daran hindere, ihre Arbeit zu machen, was sei das anderes als ein Gewaltstreich. Philippot bezeichnet die Schließung als Zensur und als einen massiven Rückschritt für die Demokratie.
Nacht und Nebel-Aktion
Vor allem die Art und Weise, wie die griechische Regierung ihre öffentlich-rechtliche Sendeanstalt zugemacht hat, stößt auf Empörung. Erst die völlig überraschende Entscheidung, wonach die ERT geschlossen werden soll. Dann hatten die Mitarbeiter nicht einmal Zeit, sich von der Ankündigung zu erholen. Wenige Stunden, buchstäblich bei Nacht und Nebel, wurden alle Sender abgeschaltet. "Kein Signal", stand auf den Bildschirmen. Von einer Sekunde auf die andere gab es ERT nicht mehr.
"Wir sind schockiert", sagt auch Jean-François Dumont, stellvertretender Generalsekretär des Verbandes der frankophonen und deutschsprachigen Berufsjournalisten AJP im BRF-Interview. "Auf brutale Art und Weise, ohne Absprache und ohne sozialen Dialog ist eine Stimme zum Schweigen gebracht worden." Aber die Verbreitung von Nachrichten, Meinungen und Ideen sei ein Grundpfeiler der Demokratie - und genau diese Grundprinzipien würden in Athen mit Füßen getreten.
"Und das ausgerechnet in Europa", ereifert sich Jean-Paul Philippot. Der ist nicht nur Generaldirektor der RTBF, sondern auch der amtierende Präsident der EBU, der Europäischen Rundfunkunion, der über 70 Rundfunkanstalten in 56 Staaten Europas, Nordafrikas und Asiens angeschlossen sind. Grundbedingung für den Beitritt eines neuen EU-Mitglieds sei doch schließlich, dass es in dem Kandidatenland ein öffentlich-rechtliches Medienhaus gibt, das über eine Reihe von Garantien verfügt, unter anderem was die Unabhängigkeit gegenüber der Regierung angeht.
Folge des Sparkurses?
Ist ein Land einmal Mitglied der EBU, dann verliert die EU allerdings die Handhabe. Deswegen konnte die EU-Kommission sich denn auch nur darauf beschränken, die Entscheidung "zur Kenntnis zu nehmen". Die EU habe die Regierung in Athen jedenfalls nicht zu dem Schritt gezwungen, sagte ein Sprecher. Griechenland habe das alleine zu verantworten, sei allerdings auch alleine zuständig. Zwar betonte der Sprecher, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender in einer Demokratie eine Schlüsselrolle einnehme, das sind aber nicht mehr als warme Worte.
Zumindest indirekt ist die Schließung der ERT durchaus eine Folge des Sparkurses, den die Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB den Griechen aufgezwungen hat. Die Troika war gerade erst in Athen, und hatte die Regierung angehalten, weitere Beamte zu entlassen. Und es trifft nicht die Falschen, sagen sogar Griechen hinter vorgehaltener Hand. Die ERT war anscheinend ein Abbild des Landes, ein Hort der Misswirtschaft, in dem sich auf engstem Raum so ungefähr alle griechischen Probleme antreffen ließen.
Aufräumen - aber nicht egal wie
"Mag sein", sagt Jean-François Dumont. "Doch wer hat da versagt? Es ist schließlich Sache der Regierung, dafür zu sorgen, dass ein öffentlicher Betrieb vernünftig funktioniert." Bei all dem dürfe man aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Man müsse sich das mal in anderer anderen Branche vorstellen. Und seien die Probleme auch noch so groß, es würde wohl keine Regierung von jetzt auf gleich einen Öffentlichen Verkehrsbetrieb schließen.
Aufräumen? Klar, wenn es sein muss! Aber nicht egal wie. Deswegen ruft EBU-Präsident Philippot die Griechen auf, die Schließung der ERT rückgängig zu machen. "Wir lassen uns jedenfalls nicht mit dem Versprechen abspeisen, dass auf den Trümmern der ERT schon bald ein neues Medienhaus entstehen werde."
Pluralismus, Pressefreiheit, Demokratie: Man werde nicht aufhören, die Griechen an all diese Prinzipien immer und immer wieder zu erinnern, sagt Dumont. Auch um mögliche Nachahmer, die buchhalterische Zwänge mit demokratischen Grundsätzen verwechseln, abzuschrecken.
Bild: Louisa Gouliamaki (afp)