Es ist ein Schleuderkurs, den die OpenVLD da im Augenblick hinlegt. Aufgeschreckt durch anhaltend schlechte Umfrageergebnisse sind die flämischen Liberalen auf der Suche nach sich selbst. Es ist vor allem die N-VA, die der OpenVLD das Leben schwer macht. Auf sozial-wirtschaftlicher Ebene fährt die Partei von Bart De Wever einen klar wirtschaftsliberalen Kurs, fischt also resolut in blauen Gewässern.
Wie hebt man sich also von der Konkurrenz ab? Nun, man macht sich zum Gegenentwurf. Das jedenfalls scheint sich die neue OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten gedacht zu haben, als sie damit begann, die Abkehr vom Konföderalismus zu predigen. Und sie stehe dazu, sagte Rutten in der VRT: "Wir wollen die Dinge klar und deutlich beim Namen nennen. Und wir wollen eben das Land nicht spalten. Konföderalismus sei aber nichts anderes, als eine verkappte Form von Separatismus. Wir werden also kein Wort mehr benutzen, das eine Spaltung beinhaltet."
In Flandern ist eine solche Haltung nicht ohne Risiko. Niemand setzt sich gerne dem Verdacht aus, ein "schlechter" Flame zu sein. Auch parteiintern gab es in dieser Sache schon erheblichen Gegenwind für die junge Parteichefin. Nun, so sagte Gwendolyn Rutten: "Das eine schließe doch das andere nicht aus. Man könne gleichzeitig für ein föderales Belgien und ein starkes Flandern eintreten." Und man wolle ja auch nicht für einen Status Quo plädieren. Man müsse sich immer die Frage stellen, wie man einen Staat optimieren kann.
Anfang von Groß-Reinemachen in der OpenVLD
Das Ganze soll nur der Anfang sein von einem Groß-Reinemachen in der OpenVLD. In einigen Tagen will Gwendolyn Rutten offiziell einen Denkprozess anstoßen, der im Herbst in einem großen Parteitag gipfeln soll, aus dem dann eine "neue" OpenVLD hervorgehen sollte.
Eine Partei mit einer klar sozial-wirtschaftlichen Ausrichtung, wenn es nach Gwendolyn Rutten geht. Eine Partei, die auch nicht gleich wieder mit der Arbeit an einer neuen Staatsreform beginnen will. Eine Partei, die für ein föderales Belgien eintritt.
Wobei: für die OpenVLD sollte man den Föderalismus dann aber auch einmal zu Ende denken. In Belgien gebe es nämlich immer noch Mechanismen, die so gar nicht zu einem erwachsenden Bundesstaat passen: Jene Blockierungsmechanismen, wie etwa die Alarmglocke oder die sprachliche Parität in der Föderalregierung. Bei der Besetzung von Ministerposten dürfe jedenfalls nicht immer zu allererst die Frage im Vordergrund stehen, welche Sprache der Kandidat spricht.
Was Gwendolyn Rutten da so frank und frei, so scheinbar harmlos ausspricht, ist für die Frankophonen dann doch gleich wieder ein Fehdehandschuh. Eine Föderalregierung ohne eine Gleichverteilung der beiden Sprachgruppen, also mit möglicherweise mehr flämischen als frankophonen Mitgliedern: "Onaanvaardbar", schreibt die CDH auf Niederländisch in einem Kommuniqué: inakzeptabel. Gleiche Töne von MR-Chef Charles Michel in der VRT: eine Föderalregierung ohne Sprachenparität: unmöglich.
Der MR-Vorsitzende Charles Michel will, dass weiterhin ein Gleichgewicht in der Anzahl der frankophonen und flämischen Minister in der Föderalregierung gibt. Charles Michel sieht die Regelung als elementaren Bestandteil der belgischen Staatsstruktur. So gebe es auch besondere Schutzmechanismen für die Vertretung von niederländischsprachigen Brüsselern. Die Politik solle sich besser um die sozio-ökonomischen Probleme des Landes kümmern, sagte Michel im Flämischen Rundfunk.
OpenVLD bleibt bei ihrem Standpunkt
Die OpenVLD bleibt aber im Wesentlichen bei ihrem Standpunkt. Der belgische Föderalismus müsse schlicht und einfach erwachsen werden, sagte auch der Ex-Parteichef Bart Somers in der Zeitung De Standaard. Deswegen sollte das ganze Sprachentheater eigentlich der Vergangenheit angehören. In Belgien verliefen die Grenzen eben nicht mehr zwischen Nord und Süd, sondern zwischen Rechts und Links.
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn die OpenVLD da etwas abgehoben die Abkehr von der Sprachenparität predigt, dann hat sie da nämlich möglicherweise Hintergedanken, die politisch durchaus bodenständig sind. Konkret: eine Regierung ohne die PS. Nicht umsonst fällt Bart Somers als Beispiel zur Veranschaulichung seiner Thesen die Regierung Martens-Gol ein, die letzte Regierung ohne die Sozialisten. Diese Equipe habe wenigstens noch wirkliche Reformen durchziehen können, sagt Somers.
vrt/okr/rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)