Hunderttausende protestieren in der Türkei gegen die, wie sie meinen, immer autoritärere Politik des türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogans. Doch der gießt Öl ins Feuer - mit einem harten Polizeieinsatz und umstrittenen Aussagen über die Demonstranten. Mittlerweile gibt es zwei Todesopfer.
Auch außerhalb der Türkei wird inzwischen protestiert: Viele Türkischstämmige in Europa sprechen den Demonstranten in Istanbul, Ankara und Izmir Mut zu. Am Montagabend fand vor dem EU-Parlament in Brüssel die erste Solidaritäts-Veranstaltung für die Protestler mit rund rund 200 Teilnehmern statt. Am Dienstag wollen sie wiederkommen.
Überall in der Türkei gehen die Leute auf die Straße, berichtet ein junger Belgier mit türkischen Wurzeln. In den Großstädten, aber auch in den kleinen Dörfern ist das Fass zum Überlaufen gebracht worden.
Es sind vor allem gemäßigte Muslime, die säkulare Mittelschicht, die in der Türkei ihre Stimme erheben. Darunter auch viele Frauen, die eine schleichende Islamisierung des Landes durch Premierminister Recep Tayyip Erdogan befürchten und um ihre Rechte kämpfen, sagt eine junge Frau, die eng in Kontakt mit ihren Verwandten in Istanbul steht.
Erdogan sei dabei, den laizistischen Staat über Bord zu werfen. Das alte Frauenbild sei dabei zurückzukehren. Sprich: Frauen müssen zu Hause bleiben und Kinder kriegen, dürfen sich nicht kleiden wie sie wollen und müssen ihren Männern gehorchen.
"Wir sind moderne Frauen", erklärt eine andere Teilnehmerin der Solidaritätveranstaltung in Brüssel. "Wir wollen keinen Schritt zurück machen und uns unterdrücken lassen - wie zu Zeiten des osmanischen Reiches."
Von der EU kam am Dienstag erste Kritik am autoritären Führungsstil des türkischen Premiers Erdogan. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hält den Umgang der türkischen Regierung mit Demonstranten für unvereinbar mit einer EU-Mitgliedschaft. "Um Mitglied der EU zu werden, muss man demokratische Standards einhalten. Wir sehen: Dazu ist er (der türkische Ministerpräsident Erdogan) in ganz bestimmten Momenten nicht bereit", sagte der Politiker am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". "Wir müssen einfach auf die Regierung aus Europa den Druck aufrechterhalten zu sagen: Wenn Du mit uns verhandeln willst, wenn Du zu dieser demokratischen Staatengemeinschaft gehören willst, dann kannst Du nicht Deine Demonstranten niederknüppeln."
Bild: Adem Altan (afp)