Die Ausländer bei uns in Belgien sind nicht gut integriert. Wer in Brüssel durch einen Stadtteil wie Molenbeek geht, der wird so eine Meinung schnell bestätigt sehen. In Molenbeek hat man den Eindruck, in Klein-Marokko oder Klein-Tunesien zu sein, und nicht nur einen Steinwurf von Manneke Pis und Grand-Place entfernt.
Die Integration von Ausländern, sie klappt nicht in Belgien. Nur jeder fünfte von uns glaubt, dass Ausländer oder Mitbürger mit ausländischen Wurzeln gut oder eher gut bei uns integriert sind. Der Rest der Belgier glaubt das nicht. Ein falsches Gefühl? Nein, sagt Eduard Delruelle, stellvertretender Direktor des Zentrums für Chancengleichheit. Denn auch die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD würden zeigen: Belgien gehört zu den Ländern auf der Welt, die in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Wohnraum die Gruppe der ausländischen Mitbürger am wenigsten gut integrieren:
Schlecht integrierte Ausländer: Wen trifft die Schuld? Wenn man darauf eine klare Antwort hätte, ließen sich die Probleme leichter lösen. Aber klare Antworten gibt es nicht. Dafür aber die Meinung der Belgier: Sie sind nämlich der Auffassung, dass die Schuld keinesfalls beim belgischen Staat liegt. Der Staat tut eigentlich genug, um eine Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. So denken die meisten Befragten einer Umfrage von RTBF und La Libre Belgique von Mitte Mai, deren Ergebnisse jetzt veröffentlicht wurden. Die Schuld trifft deshalb die Ausländer. Sie tun zu wenig, um sich bei uns zu integrieren.
Diese Schuldzuweisung sei in unserem gesellschaftlichen Denken angelegt, meint Andréa Réa, Soziologieprofessor an der Université Libre de Bruxelles. Das sei genauso wie auf dem Arbeitsmarkt. Da würden wir auch sagen: Wenn jemand arbeitslos sei, muss dieser Arbeitslose sich darum kümmern, einen neuen Job zu bekommen. Es ist dann nicht Aufgabe der Gesellschaft, alles dafür zu tun, damit der Arbeitslose wieder Arbeit findet.
Für einen weiteren Experten und Soziologen, Marco Mariniello von der Universität in Lüttich, sind die Zahlen der Umfrage dann eher der Anlass, die Debatte über das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Gesellschaftsgruppen wieder zu beleben. Schuldzuweisungen würden keine positiven Energien freisetzen, Lösungen nicht herbeiführen.
Gefühl der Belgier zum Radikalismus
Die andere beunruhigende Nachricht aus der Umfrage betrifft das Gefühl der Belgier zum Radikalismus. 80 Prozent haben den Eindruck, dass der Radikalismus unter den ausländischen Mitbürgern zunimmt. Vor allem, der religiös motivierte Radikalismus.
Aber Eduard Delruelle warnt: Bei Radikalismus müsse man unterscheiden, welche Art von Radikalismus man meine. Wenn man den Radikalismus einer Bevölkerungsgruppe meint, die sich auf sich selbst zurückzieht, in sich selbst nur die Werte und vor allem die religiösen Werte sucht, die für sie gelten, wie zum Beispiel das Tragen des Schleiers für muslimische Frauen, dann gebe es vielleicht durchaus eine Zunahme des Radikalismus. Also immer mehr Ausländer, die diesen Weg der freiwilligen Isolierung einschlagen.
Wenn es aber um den Radikalismus gehe, den man mit islamistischen Gruppen wie Sharia4Belgium oder den Männern in Verbindung bringt, die sich freiwillig für den Kampf in Syrien auf Seiten fundamentalistischer islamistischer Gruppen melden, dann sei das Gefühl ein Trugschluss. Denn in Wirklichkeit seien das nur ganz kleine Randgruppen innerhalb der muslimischen Gesellschaft. Einen Zuwachs will der Experte Delruelle nicht sehen.
Grundsätzlich, so meint der Soziologe Andréa Réa, spiegeln die Ergebnisse der Umfrage etwas wider, was man schon seit jeher bei Befragungen zu Ausländern und deren Integration feststelle, nicht nur in Belgien: Nämlich die grundsätzlich negative Wahrnehmung dieser Ausländer. Diese negative Wahrnehmung sei so alt, wie das Phänomen der Immigration selbst.
Diese negative Wahrnehmung würde aber eine andere Wirklichkeit zu häufig ausblenden: Nämlich das gute Zusammenleben zwischen Ausländern und in Anführungsstrichen "einheimischen" Belgiern. Das gebe es nämlich sehr wohl, und viel häufiger, als Medienberichte es glauben lassen. Langzeitstudien würden das ein ums andere Mal belegen. Den Professor verwundert das nicht. Denn auf bestimmte Weise sei dieses Zusammenleben gerade in einem so multikulturellen Land wie Belgien mittlerweile stark verankert.
Archivbild: BRF Fernsehen
Ich war vor 2 Monaten in Antwerpen und habe mich in keiner Stadt so sicher und wohl gefühlt.