Ocean's Eleven: Ein Raubüberfall wie in einem Hollywood-Film. Alles war perfekt geplant. 18. Februar, 19:45 Uhr: Zwei schwarze Limousinen rasen mit Blaulicht über das Flugfeld am Brussels Airport in Zaventem. Sie stoppen vor einer Maschine einer schweizerischen Fluggesellschaft. Die wird gerade mit Wertkoffern beladen.
Acht als Polizisten verkleidete, schwer bewaffnete Täter springen aus den Fahrzeugen, verlangen die Herausgabe der Ladung. Alles geht blitzschnell. Keine drei Minuten später sind die Unbekannten über alle Berge. Perfekte Planung, perfektes Timing, Operation perfekt umgesetzt - der "perfekte Raub" eben, so auch die Schlagzeile am nächsten Morgen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte den Tätern aber schon aufgegangen sein, dass es bei aller Perfektion einen Haken gab: die Beute nämlich. Diamanten und Gold im Wert von 37 Millionen Euro, der größte Raub in Europa mindestens in den letzten 10 Jahren, das ist doch eigentlich der Traum eines jeden Gangsters. Die Profis von Zaventem müssen sich demgegenüber aber anscheinend schwarz geärgert haben. Das Problem: Sie hatten nicht mit Diamanten gerechnet.
Wie einige Zeitungen inzwischen recherchiert haben, hatten es die Räuber vielmehr auf Bargeld abgesehen. Sie wussten anscheinend, dass eine Woche zuvor zur gleichen Zeit eine große Geldmenge an Bord eines schweizerischen Flugzeugs gebracht worden war. Das gab denn auch sozusagen das Startsignal für den Coup vom 18. Februar. Die Täter gingen davon aus, dass ihnen Cash in die Hände fallen würde. Die Zeitung Het Nieuwsblad bringt es denn auch mit einer herrlichen Schlagzeile auf den Punkt: "Es war kein perfekter Diamanten-Raub, sondern ein missglückter Gelddiebstahl".
Da saßen die Täter nun also auf Diamanten im Wert von 37 Millionen Euro, mit denen sie erstmal nichts anfangen konnten. Die Edelsteine muss man ja zu Geld machen, das war nicht geplant. Und wer da nicht über ein Netzwerk - einen dunklen Kanal, über den er die Steine absetzen kann - verfügt, der hat ein Problem.
Festnahme in Frankreich
Ortswechsel: Nordfrankreich, Ars-sur-Moselle, in der Nähe von Metz, am vergangenen Dienstag. Am Bahnhof des kleinen Städtchens wird Marc Bertoldi aufgegriffen. Der 43-Jährige sitzt am Steuer eines Luxus-Sportwagens. Bertoldi handelt mit solchen Traumwagen, zugleich hat er in Frankreich ein ellenlanges Vorstrafenregister. Die Fahnder durchsuchen seinen Porsche und stoßen auf 60.000 Euro in Bar. Wo kommt das Geld her? Bertoldi kann es zunächst nicht schlüssig erklären.
Das war das entscheidende Puzzlestück. Weil Bertoldi ein "Stammkunde" der Polizeidienste ist, steht er unter mehr oder weniger ständiger Beobachtung. Vor zwei Monaten - zwei Wochen nach dem Raub von Zaventem - wird er in Genf gesehen. Nach einem Tipp der belgischen Polizei heften sich die örtlichen Kollegen an seine Fersen. Bertoldi führt die Beamten unter anderem zu einem seiner Bekannten, dem Geschäftsmann Eric S. und einem Kompagnon.
Bertoldis Festnahme in Frankreich ruft auch in der Schweiz die Polizei auf den Plan. Die Beamten durchsuchen die Wohnung von Eric S. und stoßen - wie sie es selbst ausdrücken - auf "Ali Babas Höhle". Sesam öffne Dich, die Fahnder finden eine große Menge Diamanten plus 100.000 Schweizer Franken. Die Steine stammen eindeutig aus der Beute von Zaventem - sie sind nämlich markiert.
Großrazzia in Belgien
Das wiederum war der Startschuss für die belgische Polizei. Mittwochmorgen, Großrazzia: 250 Polizisten führen an 30 verschiedenen Orten im ganzen Land gleichzeitig eine Hausdurchsuchung durch. Die meisten Verdächtigen wohnen in Brüssel und Umgebung. 24 Personen werden festgenommen, die meisten ihnen gehören zum "Who is Who" der Brüsseler Verbrecherszene. Acht von ihnen befinden sich weiter in Haft. Bei der Aktion wurden auch größere Geldsummen, Luxus-Autos und andere Wertgegenstände sichergestellt.
Die Polizei ist überzeugt: Das sind die Täter von Zaventem, zumindest der erweiterte Kreis. Man hat der Bande wohl den entscheidenden Schlag versetzt. Und besagter Franzose Eric Bertoldi, der soll das Mastermind hinter der Aktion sein. Die französische Justiz soll in Kürze über eine mögliche Auslieferung an Belgien entscheiden.
Bertoldi hat marokkanische Wurzeln, sein offizieller Wohnsitz ist zurzeit Casablanca. Die Zeitung De Morgen spricht denn auch von einer "Marokko-Connection", auch der Rest der Bande besteht vornehmlich aus Männern marokkanischer Herkunft. Der mutmaßliche Hehler, besagter Eric S. aus Genf, will übrigens von der kriminellen Herkunft der Diamanten nichts gewusst haben.
Fakt ist wohl: Hätten die Täter nicht quasi versehentlich Diamanten gestohlen und ihre Beute deswegen erst zu Geld machen müssen, dann wäre man wohl nie auf Ali Babas Höhle gestoßen.
Illustrationsbild: Fabrice Coffini (afp)