Es war nochmal ein EU-Gipfel, bei dem nicht unter Hochdruck ein Brand gelöscht, ein schneller Ausweg aus einer Krise gesucht werden musste. Am frühen Nachmittag haben die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten ihr diesjähriges Frühjahrstreffen beendet.
Beherrschendes Thema war eine Frage, die gar nicht auf der Tagesordnung stand: Soll man die Rebellen in Syrien mit Waffen beliefern oder nicht? Eine Antwort ist der Gipfel schuldig geblieben.
"Es ist nicht anormal, dass es in einer solchen Frage unterschiedliche Auffassungen gibt", sagt EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Das ist sehr vornehm formuliert, geht es hier doch - wieder einmal - um einen handfesten Streit unter EU-Partnern.
Aufgemacht wurde dieses Fass durch Frankreich und Großbritannien. Paris und London wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie in Syrien die Widerstandskämpfer durch die übermächtige Armee von Baschar al-Assad niedergemetzelt werden. Deswegen verlangen beide Länder, dass das geltende Waffenembargo aufgehoben wird - dass man die Rebellen mit Waffen beliefern darf. Wobei vor allem Frankreich klar zu verstehen gab, dass man sich notfalls auch über die Meinung der EU-Partner hinwegsetzen werde.
Der Vorstoß kam eher überraschend, das Thema Syrien stand ja gar nicht auf der Tagesordnung. Einige Länder reagierten denn auch ziemlich verschnupft auf das Vorpreschen. Das gilt unter anderem für die Benelux-Staaten. Stellvertretend machte der Luxemburgische Premier Juncker klar, dass man auf eine gemeinsame Entscheidung pochen werde. Es sei gefährlich, den Eindruck zu vermitteln, es gebe keine gemeinsame Außenpolitik.
Sparen oder Wachstum fördern?
Mal wieder Risse im EU-Gebäude. Gleiches gilt in der Frage, inwieweit der strikte Sparkurs beibehalten werden soll. Auf der einen Seite stehen vor allem Länder wie Deutschland, die die Haushaltssanierung quasi zum Dogma erklären. Und dann eben die anderen, die sich mehr Flexibilität wünschen. Dazu gehört vor allem Premierminister Elio Di Rupo. Und der kann nur feststellen, dass er längst nicht mehr alleine dasteht. Noch vor einiger Zeit sei er mit seiner Forderung nach wachstumsfördernden Maßnahmen als Außerirdischer durchgegangen. Jetzt bezweifele niemand mehr, dass man nicht nur sparen, sondern auch die Wirtschaft beleben muss.
Und noch etwas: Für Belgien wurde das Ziel ausgegeben, dass Defizit auf 2,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Allerdings dürfe man dabei doch nicht vergessen, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein Wachstum von 0,7 Prozent im Raum stand. Zugleich bekennt sich Di Rupo aber zum Europäischen Stabilitätspakt. Das muss er wohl auch, ansonsten würden ihm insbesondere die liberalen Koalitionspartner auf die Finger klopfen, vor allem die flämische OpenVLD will am Sparkurs festhalten.
Und auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machte klar, dass es in ihren Augen keine Alternative gibt. Die Schulden müssten runter, und da seien sich im Grunde alle einig. Das ist zugleich die Antwort auf die Straßenproteste der europäischen Gewerkschaften. Die hatten eine Lockerung des europaweiten drastischen Sparkurses gefordert, die EU-Staats- und Regierungschefs scheinen aber ihrer bisherigen Linie treu zu bleiben. Wobei alle natürlich betonen, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um insbesondere den Arbeitsmarkt in Europa wiederzubeleben. Sechs Milliarden Euro sollen dafür innerhalb der EU-Töpfe freigemacht werden.
Der EU-Gipfel ist zwar zu Ende, ein weiteres Spitzentreffen hat aber gerade erst begonnen: Am Abend beraten die Finanzminister der Eurozone über ein Hilfsprogramm für das angeschlagene Euroland Zypern. Auf der Insel ist quasi das komplette Finanzsystem kollabiert, das Land braucht mindestens zehn Milliarden Euro Hilfe, um nicht den Bach runterzugehen. Zypern werde in jedem Fall nicht fallen gelassen, versicherten die Chefs bei EU-Gipfel.
Bild: Bernal Revert (belga)