Der ehemalige liberale Außenminister und heutige EU-Kommissar Karel De Gucht sagt, dass die Regierung durch die CD&V erpresst worden sei und habe nur deshalb im Zuge der Dexia-Pleite einer staatlichen Bürgschaft für die Aktionäre von Arco zugestimmt. Jetzt hagelt es Kritik von allen Seiten. Außerdem steht auch Außenminister Didier Reynders am Pranger.
Angefangen hatte alles Mitte Februar. Erinnern wir uns: Damals stand die Frage im Raum, ob die christliche Arbeiterbewegung Steuertricks angewendet hat. Mittlerweile geht es um viel mehr. Die ACW hatte einen umstrittenen Deal mit der Belfius-Bank, Finanzminister Steven Vanackere ist zurückgetreten und seit dem Wochenende steht auch der Verdacht im Raum, dass der finanzielle Arm der ACW, das ist die Arco, im Zuge der Dexia-Pleite eine staatliche Bürgschaft für ihre Aktionäre in die Wege geleitet hat. Wie: Und zwar indem die Arco die entsprechenden Gesetzestexte selbst geschrieben hat und dann befreundeten CD&V-Ministern zukommen lassen hat.
Im Grunde genommen wird bemängelt, dass Anleger von Arco besser geschützt sind als andere. Es geht unterm Strich also um Machtmissbrauch und der wird jetzt sozusagen bestätigt von Karel De Gucht. Der liberale Politiker saß damals mit am Tisch. 2008 war der EU-Kommissar noch belgischer Außenminister. Und der spricht heute in der Zeitung "De Morgen" von Erpressung. Die staatliche Bürgschaft für die Arco-Anleger sei in einer nächtlichen Sondersitzung zur Rettung der Dexia, bei der alles ganz schnell gehen musste, von den CD&V-Leuten regelrecht erzwungen worden.
Reaktionen auf die harten Worte von De Gucht
Es gibt sehr viel Kritik, allen voran von der CD&V. Da erklärt man, dass es solche Sonderregelungen auch für andere Anleger gibt, beispielsweise für die Ethias oder die ausländische Kauphting-Bank. Es gibt aber auch Kritik aus den eigenen Reihen. Etwa von Patrick Dewael, der Fraktionssprecher der flämischen Liberalen in der Kammer. Der hat auf Twitter Folgendes Zitat gepostet: "Un ministre ferme sa guele ou démissionne". Also ein Minister hält die Schnauze oder er tritt zurück. Kritisiert wird vor allem, dass sich De Gucht erst jetzt zu Wort meldet. Wenn er die Vorgehensweise wirklich als Erpressung empfunden hat, dann hätte er damals den Mund aufmachen müssen, so die Kritik. Und nicht jetzt, fast fünf Jahre später.
Bei der staatlichen Garantie für die Arco-Anleger geht es um sehr viel Geld, und das ist auch der springende Punkt, nämlich um 1,5 Milliarden Euro. Als die Dexia 2011 auseinandergebrochen ist, hat der Staat mit Steuergeld bürgen müssen für die Arco-Anleger, weil die geschützt waren. Andere haben ihr Geld wiederrum verloren. Jetzt muss der Staatsrat klären, ob diese staatliche Bürgschaft okay war oder nicht. Das Urteil wird mit Spannung erwartet.
Streit zwischen Reynders und Beke
Am Wochenende hatte es schon einen anderen Vorfall gegeben, nämlich Streit zwischen Didier Reynders und Wouter Beke. Also schon wieder Liberale und Christdemokraten. Die Stimmung in der Koalition ist derzeit sehr angespannt. Harte Worte zwischen eigentlich Partnern.
Zuerst Reynders, der den zurückgetretenen Vanackere kritisiert, er habe die Steuereinnahmen falsch eingeschätzt, das Loch in der Staatskasse sei jetzt deswegen so unerwartet groß. Dann CD&V-Vorsitzender Beke: Er nannte Reynders einen frustrierten Politiker, der nicht darüber hinwegkomme, dass er nicht mehr Finanzminister sei.
Im Moment geht es ziemlich heiß her. Vor allem wenn, man bedenkt, dass sich ab diesem Dienstag alle wieder um einen Tisch setzen und den Haushalt anpassen müssen.
Archivbild: Dirk Waem (belga)