Alice ist schon seit vielen Jahren magersüchtig. 29 Kilo wiegt die 21-Jährige, als die behandelnden Ärzte Alarm schlagen. Die junge Frau verweigere die angebotene Hilfe, sie sei eine Gefahr für ihr eigenes Leben. So meldet es der Direktor der Brüsseler Psychiatrie, in der Alice behandelt wird, der Staatsanwaltschaft.
Alice setzt sofort den Mechanismus in Gang, der vom Gesetz vorgeschrieben ist. Zweimal wird der Fall vor Gericht behandelt, dann entscheidet ein Friedensrichter: Zwangseinweisung - für zwei Jahre muss Alice in eine Psychiatrie.
Grundlage für die Entscheidung ist das Gesetz zum Schutz von geistig Kranken. Wenn geistig Kranke - und Magersüchtige gehören in diese Kategorie - eine Gefahr für sich selbst darstellen und es keine Alternative gibt, dann kann ein Gericht die betroffene Person in eine Anstalt einliefern lassen. Alice wird im Dezember 2012 in die psychiatrische Abteilung des Brüsseler Krankenhauses Brugman gebracht.
Für Vincent Lorant vom Forschungsinstitut Gesundheit und Gesellschaft an der Universität Neu-Löwen eine nachvollziehbare Entscheidung: "Man darf nicht denken, dass Richter eine solche Entscheidung einfach mal so nebenbei treffen. Diesen Vorwurf kann man den Richtern nicht machen. Vielmehr wird so eine Entscheidung zum Schutz des Patienten vor sich selbst getroffen, und auch zum Schutz der Gesellschaft."
Doch Alice sieht das anders. Sie ist schockiert über die Zwangseinweisung und vor allem darüber, wie sie in der Psychiatrie behandelt wird. Denn dort fesselt man sie ans Bett und flößt ihr künstlich Nahrung ein. Alice wehrt sich gegen die Behandlung, verweigert den Dialog mit dem Personal, schaltet einen Anwalt ein. Ihr Ziel: Die Zwangseinweisung aufzuheben. "Ich will erreichen, dass man mich aus dem Krankenhaus freilässt, dass ich zu meinem Vater nach Hause darf und dort weiter genesen kann", erklärt die junge Frau .
Bereits zweimal haben Berufungsrichter sich die Argumente der jungen Frau im Brüsseler Justizpalast angehört, bislang aber noch keine Entscheidung getroffen. Deshalb muss die junge Frau vorerst in der Psychiatrie bleiben. 35 Kilo wiegt sie mittlerweile, doch das habe nichts mit ihrer Behandlung in der Psychiatrie zu tun, sagt Alice.
Mut macht ihr die Unterstützung, die sie über das soziale Netzwerk Facebook bekommt. Alice hat Projekte für die Zukunft geschmiedet: Sie will ihre Ausbildung zur Krankenschwester wieder aufnehmen, sich einen Job suchen, hat eine Reise geplant. Das alles will sie angehen, wenn sie wieder zu Hause ist. Die Brüsseler Richter wollen ihr Urteil am kommenden Dienstag verkünden.
Illustrationsbild: Dirk Waem (belga)