Bei der nationalen Protestkundgebung der Gewerkschaften in Brüssel sind die Hoffnungen der Organisatoren übertroffen worden. Die Polizei teilte mit, etwa 30.000 Personen seien in die Hauptstadt gereist, um ihren Unmut gegen Sparpläne der Regierung kundzutun. Nach Angaben der Gewerkschaften waren es sogar 40.000 Menschen. Sie waren im Vorfeld von 15.000 Teilnehmern ausgegangen. Der Protestmarsch führte vom Nordbahnhof zum Südbahnhof.
Hauptkritikpunkt war der Plan, die Löhne einzufrieren. Außerdem befürchten die Gewerkschaften, dass der Index auf dem Spiel stehen könnte. Sie fordern ein gerechtes Steuersystem und dass die Föderalregierung bereits erzielte Abkommen von den Sozialpartnern umsetzt, etwa zur Erhöhung von Niedriglöhnen, Arbeitslosengeld und Renten.
Abordnungen der Demonstranten wurden von Finanzminister Steven Vanackere und Pensionsminister Alexander De Croo empfangen. Diese verwiesen darauf, dass Lohnmäßigungen und Flexibilität die Grundvoraussetzungen seien für die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Wirtschaft. Nach der Kundgebung fanden auch Unterredungen mit Arbeitsministerin Monica De Coninck und mit dem Staatssekretär für Sozialpolitik, Philippe Courard, statt.
Führende Gewerkschafter erklärten, die Kundgebung habe gezeigt, in welchem Maße die Arbeitnehmer es satt seien, für eine Krise zu bluten, die von den Banken und von Spekulanten ausgelöst worden sei. Ford Genk und ArcelorMittal hätten gezeigt, dass die derzeitige Sparpolitik der Regierung kein Weg aus der Krise sei.
Di Rupo in der Kammer
Premierminister Elio Di Rupo hat in der Kammer Verständnis für die Sorgen der Arbeitnehmer geäußert. Die Regierung sei solidarisch mit den zahlreichen Menschen im Land, die ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Doch nur wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen würden, könne im Interesse der Bürger eine Verbesserung der Situation erzielt werden.
Der Premierminister rief eindringlich dazu auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um den Sozialdialog zu einem konkreten Ergebnis zu führen. Sowohl Di Rupo als auch Arbeitsministerin De Coninck stellten noch einmal klar, dass es keinen Spielraum jenseits des Index für Lohnerhöhungen gebe.
Verkehrsbehinderungen
Durch den Protesttag der Gewerkschaften kam es zu Beeinträchtigungen bei der Bahn und im öffentlichen Nahverkehr. Besonders im Busverkehr wurden Probleme gemeldet, vor allem im Raum Brüssel und Mons sowie in Lüttich, Verviers und Eupen. Die SNCB hatte Gewerkschaftsangehörigen verboten, in den Zügen Solidaritätsbotschaften durch die Lautsprecheranlagen auszustrahlen.
In den Betrieben blieben die Auswirkungen lokal begrenzt. Besonders im Raum Lüttich beteiligten sich etliche Unternehmen an Streikaktionen. Der Belgische Unternehmerverband übte scharfe Kritik am Vorgehen der Gewerkschaften. Es sei höchste Zeit, endlich konkrete Lösungen voranzutreiben.
vrt/belga/alk/cd/mh - Bilder: Nicolas Maeterlinck (belga)