Auch immer mehr Belgier spüren die Folgen der Krise. Nach einer Umfrage im Auftrag der Brüsseler Tageszeitung Le Soir und des RTL-Fernsehens geben in der Wallonie und Brüssel sieben von zehn Personen zu, dass die Krise zu einem veränderten Kaufverhalten geführt habe.
Dies gehe zumeist auf Kosten der Freizeit und des Urlaubs. Weniger geben die Bürger demnach auch für Kleidung, Ernährung sowie für Heizung und Strom aus. Vor allem Frauen und Haushalte mit geringem Einkommen müssen demnach ihren Gürtel enger schnallen.
Abrutschen in Armut
Fakt ist auch, so schreibt Le Soir, dass immer mehr Belgier Gefahr laufen, in Armut abzugleiten. Laut neuesten Zahlen aus einer europäischen Erhebung waren schon 2011 21 Prozent der Belgier davon gefährdet. Oder anders ausgedrückt: Jeder fünfte Belgier muss dagegen ankämpfen, nicht in die Armut abzurutschen. Damit liegt Belgien zwar immer noch unter dem Durchschnitt in Europa. Aber die Zahl der Betroffenen nimmt ständig zu. Zwischen 2009 und 2011 stieg die Zahl um 160.000. Und da sich die Situation im vergangenen Jahr nicht unbedingt verbessert hat, kann man davon ausgehen, dass die aktuellen Zahlen noch höher liegen.
Laut Le Soir betrifft dieses Problem die ganze Gesellschaft, nicht nur die Politiker. Diese könnten zwar die ein oder andere gesetzliche Maßnahme auf den Weg bringen. Aber gegen das Auseinandergehen von Beziehungen, gegen die falsche Berufswahl oder gegen das Leben über die eigenen finanziellen Verhältnisse, dagegen könnten die Politiker nichts machen.
Dann lässt Le Soir auch noch Christine Mahy zu Wort kommen, die für das "Netzwerk gegen Armut" in der Wallonie arbeitet. Sie sagt, dass man das Thema Armut einfach populärer machen, es als Problem erkennen müsste, darüber reden, und dass das schon viel helfen würde. An die Politiker gewandt meint sie, dass der Staat bei der Energieversorgung Hilfe leisten müsse. Heizung und Strom, das müsse einfach jeder haben können.
Auch der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Franck Vandenbroucke kommt zu Wort. In einem Interview kritisiert er, dass Belgien heute kein Wohlfahrtsstaat mehr sei. Er würde sich wünschen, dass sich das wieder ändert, mit gezielten Förderprogrammen für die Schwächsten, nämlich eben für die jungen Menschen, für Frauen und Alleinerziehende mit Kindern.
belga/kw/rkr - Bild: Stephan Morrison (epa)