"Das Außergewöhnliche an Jean-Marc Nollets Vorschlag sei, dass er ein leeres Blatt nehme und Belgien von Grund auf neu aufbauen wolle", so die Tageszeitung Le Soir in ihrer Einleitung. In einem Interview mit der Zeitung hat sich der wallonische Vize-Premier in die Debatte um Staatsreform und Kompetenzübertragung eingemischt. Und was er da vorschlägt, sei wagemutig, so meint jedenfalls Le Soir.
Erstens: Weg von der Überlagerung von Regionen und Föderalstaat. Diesen weltweit einzigartigen doppelten Föderalismus verstünden die Bürger nicht.
Privilegierte Partnerschaften
Zweitens: An Belgien soll nicht mehr rumgefrickelt werden. Vielmehr soll das Land von Grund auf neu aufgebaut werden. Das heißt: vier Regionen, alle auf territorialer Basis: Wallonie, Flandern, Brüssel und das Gebiet deutscher Sprache. Jede Region soll für sich selbst verantwortlich sein, selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen will, ihr eigenes Projekt definieren. Die Zusammenarbeit zwischen den Regionen soll durch privilegierte Partnerschaften geregelt werden. Ein Beispiel: Die Wallonie und Brüssel könnten genau definierte Kompetenzen gemeinsam verwalten und das in beiderseitigem Einvernehmen. Kurzum: Alles hin zu den Regionen und dann entscheidet man, wann, wo und wie man zusammenarbeitet. Diese sogenannten Interdependenzerklärungen wären dann auch verpflichtend und solidarisch.
Drittens: Von der Föderation Wallonie-Brüssel müsse man dann wohl Abschied nehmen. Nach Meinung von Jean-Marc Nollet verdiene diese ihren Namen nicht. Sie vereine lediglich den französischsprachigen Teil der Wallonie und die Frankophonen in Brüssel. Er will echte Regionen.
Viertens: Und was werden die Flamen dazu sagen? Eine eigenständige Region Brüssel wäre der Preis, den die Flamen zahlen müssten. Im Gegenzug erhielten sie aber mehr Autonomie. Und... Nichts hielte Flandern und Brüssel davon ab, insofern gewünscht, gemeinsame Vereinbarungen zu treffen.
Und zu guter Letzt, was bedeutet dies für die Deutschsprachige Gemeinschaft? Darauf geht Nollet nicht explizit ein. Doch nimmt man den Vorschlag beim Wort, würde eine deutschsprachige vierte Region Realität.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)
Was würde dann beim Föderalstaat bleiben ? Wäre das auch das Ende einer gesamtbelgischen Sozialversicherung ? Nach welchem Schlüssel würden die finanziellen Verpflichtungen des Föderalstaates (Staatsschulden, Rentenzahlungen, etc) auf die Regionen verteilt ?