Es ist das große Aufmacher-Thema in Frankreich: Jede Nachrichtensendung im Fernsehen berichtet darüber, jede Tageszeitung füllt damit ganze Seiten. Gérard Depardieu: der Steuerflüchtling, der Verräter.
Die großen Fernsehsender TF1 und France 2 haben ihre Reporter in den kleinen Grenzort Néchin geschickt und versuchen das bislang bestbehütetste Geheimnis zu lüften: Wo hat Depardieu sich niedergelassen?
Kritik an Gérard Depardieu gibt es von allen Seiten. Jetzt hat sich auch Frankreichs Premierminister eingemischt. Jean-Marc Ayrault bezeichnet das Verhalten des französischen Superstarts als "erbärmlich". "Die Armut wird nicht kleiner werden, wenn die Reichsten nicht bereit sind, etwas abzugeben ... und das Land verlassen, um fällige Steuern zu umgehen", sagt Ayrault. "Aber zum Glück machen das nur die Wenigsten."
Allerdings gibt es davon immer mehr. In der neuen Wahlheimat von Depardieu, im Grenzort Néchin, ist bereits jetzt jeder vierte Einwohner ein Franzose. Viele davon gelten als vermögend. Die Dorfstraße wurde im Volksmund bereits in "Rue des millionaires - Straße der Millionäre" umgetauft. Heimisch sind hier bereits die Besitzer der Supermarktketten Carrefour und Auchan oder die Erben der Elektromärkte Darty.
Mit ihrem Umzug nach Belgien wollen die reichen Franzosen zweierlei umgehen: Die hohe Besteuerung von Kapitalerträgen und die neue Vermögenssteuer. Depardieus Einkünfte werden auf rund zwei Millionen Euro im Jahr geschätzt. Darauf fällt ganz klar die neue Reichensteuer von Präsident François Hollande an: nämlich 75 Prozent auf Einkünfte über eine Million Euro.
Aber Depardieu ist nicht nur Frankreichs bekanntester Schauspieler, er ist auch ein tüchtiger Geschäftsmann. Er investierte in kubanische Ölquellen, kaufte Weingüter im Burgund, im Medoc, in Spanien, Argentinien und Algerien. Neben einem Schloss im Anjou besitzt er ein Hotel in Paris, mehrere Restaurants und einen Fischladen. Und das dürfte der wahre Grund für seinen Umzug sein: Die Gewinnertragssteuer, die in Frankreich 40 Prozent beträgt, die es in Belgien zumindest in dieser Form aber nicht gibt. Schätzungsweise 200.000 Franzosen haben das Weite gesucht - und sind jetzt im "Steuerparadies Belgien" gemeldet.
Übrigens: Beobachter sehen einen Zusammenhang zwischen den prominenten Exil-Franzosen und der neuen Bier-Steuer in Frankreich. Eine Retour-Kutsche ... Die Regierung in Paris soll sich damit gegen die Untätigkeit der Kollegen in Brüssel gerecht haben. Rund ein Drittel des belgischen Export-Biers wird nämlich nach Frankreich geliefert. Und dort ist die Steuer auf den Gerstensaft jetzt um stolze 160 Prozent gestiegen. Wein und Champagner dagegen werden nicht teurer.
Bild: Virginie Lefour (belga)